Wir haben uns versammelt um gegen die Abschiebungen von Flüchtlingen, insbesondere Jugendlichen, die schon mal durch ein begangenes Vergehen im Gefängnis gesessen sind und die längst bereuen, zu verhindern. Jeder hat eine zweite Chance verdient, um seine begangenen Fehler wieder gut zu machen.

Die russisch-tschetschenischen Kriege haben schon mehr als genug Familien auseinander gebracht unzählige Menschen getötet und sie zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen. Sie kamen alle nach Europa, um hier Schutz zu suchen und nun ist es wieder soweit, dass ihre Flucht weitergeht. Dort waren es die Russen und hier sind es die Europäer. Familienmitglieder werden getrennt und abgeschoben, auf offener Straße hingerichtet. Sie Mütter, Väter und Geschwister sind unter großer Sorge, weil sie nicht wissen, was mit ihren Kindern passieren wird.

Nur weil in seiner Jugend ein Fehler widerfahren ist und er die Zeit in einem österreichischen Gefängnis verbracht hat wird nun der Beschluss gefasst ihn abzuschieben. Er hat seine tat längst bereut, sich eine Ausbildung angelegt, die er bereits im Gefängnis angefangen hatte. Jetzt beschließt der österreichische Staat aber, dass es zu spät ist und er keine zweite Chance verdient hat. Inmitten einer Pandemie, in der Depression, Arbeitslosigkeit, Müdigkeit, Existenzängste, zur Tagesordnung gehören, fällt Österreich ein: Die Pandemie ist nicht genug, wir müssen noch einige Flüchtlinge abschieben, die in ihrer Heimat den Tod fürchten. Dabei sagte Österreich doch, jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, oder habe ich mich verlesen?

Die generelle Feststellung der Behörde, dass es in Tschetschenien zur Beendigung der politischen Verfolgung gekommen ist, enthebt sie nicht der Verpflichtung zur Prüfung und Würdigung jedes einzelnen Falles.

„Unter Hinweis auf die Verpflichtung aller Staaten gemäß Artikel 33 des Übereinkommens über den Status der Flüchtlinge, der die Ausweisung oder Rückkehr von Flüchtlingen an die Grenze eines

Landes, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit gefährdet ist, ausdrücklich untersagt, ausgenommen sind Personen, die die Sicherheit des ausgewiesenen Landes gefährden;

Unter Hinweis auf sein Engagement für rechtliche und demokratische Werte, den Schutz der Menschenrechte und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, insbesondere die Artikel 1, 2, 3 und 5 dieser Erklärung;

In der Erwägung, dass Vernachlässigung und Verachtung der Menschenrechte zu barbarischen Handlungen geführt haben, die das Gewissen der Menschheit empören, und dass die Schaffung

einer Welt, in der die Menschen Rede- und Glaubensfreiheit haben und frei von Furcht und Not sind, als hohes Streben der Menschen verkündet wird;

In Anbetracht dessen, dass die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Völkern gefördert werden muss.“ Es gibt eine große Anzahl von Fällen, wo die besondere Schutzwürdigkeit offensichtlich oder zumindest berücksichtigungswürdig ist. Jüngst von tschetschenischen Offiziellen geäußerte und dokumentierte Drohungen belegen diese Tatsache. Im Zusammenhang damit appellieren wir an die MA 35, die Verfahren zwecks Ausstellung der EU-Karten bis zur Klärung der Vorfrage bezüglich der möglichen Aufrechterhaltung des Asyls ruhen zu lassen.

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass der – ebenfalls nach der österreichischen Gesetzgebung mögliche – Tausch des Flüchtlingspasses gegen die EU-Karte eine Einschränkung der

Reisefreiheit mit sich bringt, da nur wenige Staaten außerhalb der EU dieses Dokument zum Zweck der Einreise anerkennen. Dies könnte unter Umständen zu einer Verfassungsbeschwerde führen.

Somit lautet unser Appell an Sie:

1. Stoppen Sie die Abschiebung von Bürgern der Tschetschenischen Republik Ichkeria nach Russland, wo sie gedemütigt, gefoltert und getötet werden;

2. Stoppen Sie die Abschiebungen von allen die in Österreich Schutz suchen und Angst vor Demütigung, Folter und Tod, in ihrer Heimat haben;

3. Wir fordern dringend eine Lösung für das Problem der Auslieferung tschetschenischer und anderer Flüchtlinge nach Russland, wo sie gefoltert und getötet werden;

4. Stoppen Sie die Praxis des latenten Drucks auf Flüchtlinge um sie zu zwingen ihren politischen Flüchtlingsstatus im Austausch gegen ein Arbeitsvisum aufzugeben.

5. Wir erklären uns bereit, Unterstützung und Hilfe zu leisten, und schlagen außerdem die Einsetzung einer Kommission aus Menschenrechtsverteidigern, Experten und Vertretern öffentlicher Organisationen vor, um die illegale Auslieferung von Flüchtlingen nach Russland zu verhindern.

Obmann des Kulturvereins ICHKERIA, Exil Politiker

Khuseyn ISKHANOV