Schubhaftberatung dringend notwendig

Gerhild Salzer, Diakonie Flüchtlingsdienst, schildert die menschenrechtlich erschütternde Situation für Menschen in Schubhaft. Es braucht eine unabhängige Kontrolle zur Einhaltung der Menschenrechte!

Inhaftierte wissen nicht, wie lange sie in der Schubhaft sitzen und ob sie mit einer Freilassung oder einer Abschiebung in unsichere, oft lebensgefährdende Länder, endet
23 Stunden am Tag eingesperrt und kaum Beschäftigungsmöglichkeiten: Schubhaftbedingungen in Österreich

„Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“ So steht es in Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Doch in Österreich werden diese Menschenrechte oft missachtet. Und das, obwohl Freiheit das höchste Gut in einer demokratischen Gesellschaft ist.

Schubhaft in Österreich: Missachtung der Menschenrechte und keiner Demokratie würdig

Der menschenrechtlich sensibelste Entzug der Freiheit ist die Schubhaft: Denn im Gegensatz zur Strafhaft wird hier die Inhaftierung nicht nach einem fairen Verfahren vom Gericht angeordnet, sondern einzig Beamt*innen der Fremdenpolizei entscheiden über Freiheit oder Haft. Wenn eine Staatsanwältin das Recht hätte, Personen, die sie für schuldig hält, einfach wegzusperren und ein Gericht diese Entscheidung nur dann überprüfen würde, wenn es den Häftlingen gelingt, einen Anwalt oder eine Anwältin zu finden – würden wir das als faires Verfahren empfinden?

Hinzu kommt, dass die Bedingungen in der Schubhaft sehr belastend und deutlich schlechter sind als jene von verurteilten Straftäter*innen: Personen in Schubhaft werden zumeist 23 Stunden am Tag in ihre Zellen gesperrt, haben keinerlei Beschäftigungsmöglichkeiten wie Arbeit oder Bibliothek und, was am schlimmsten für die meisten ist: Sie haben keine Ahnung, für wie lange sie eingesperrt sein werden und wie diese Haft endet, ob mit Freilassung oder Abschiebung, oft in Länder, wo sie um ihr Leben fürchten.

Der Staat müsste also in der Schubhaft besonders vorsichtig sein, denn Haft ohne ausreichenden Grund und unter schlechten Bedingungen ist einer Demokratie nicht würdig, sondern erinnert mehr an Diktaturen. Deshalb hat die Rechtsberatung der Diakonie in den letzten acht Jahren unzählige Schubhaftbeschwerden eingebracht und auch gewonnen. Für 6.775 Tage hat das Gericht die Haft für unrechtmäßig erklärt. Österreichische Behörden haben also allein in den letzten acht Jahren Menschen im Ausmaß von zusammengezählt 18,5 Jahre zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt.

Kein Zugang zu Menschen in Schubhaft ab 2021

Ab 2021 hat die Diakonie nun keinen Zugang mehr zu Menschen in Schubhaft: Die Rechtsberatung wurde ihr entzogen und einer staatlichen Agentur übergeben, die dem Innenministerium untersteht. Damit geht die letzte unabhängige Kontrolle in der Schubhaft verloren. Unter welchen Bedingungen Menschen in Schubhaft angehalten werden und ob sie überhaupt zu Recht dort sind, kann nicht mehr nach außen dringen. Das ist menschenrechtlich äußerst bedenklich. Österreich wäre gut beraten, umgehend wieder eine unabhängige Schubhaftberatung und -betreuung in den Polizeianhaltezentren zuzulassen. Denn nur so können Grundrechte und Menschenwürde in einem polizeilichen System sichergestellt werden. Nur so bleibt der Staat über jeden Zweifel erhaben.