Herrgottnochmal, was war denn das jetzt? Vor unserer aller Augen werden Kinder  abgeschoben und mit ihnen solidarisierende Schülerinnen werden von einer wohl deutlich  überhöhten Anzahl von Polizisten flankiert. Diese Polizeipräsenz ist dann angebracht wenn  wieder einmal die rechtsextremen Corona Leugner im Stechschritt durch Wien marschieren.  Die LehrerInnen und SchülerInnen setzten sich, ebenso wie Bundespräsident Alexander Van  der Bellen und Vertreter aller Parlamentsparteien (außer halt, eh schon wissen), für einen  Verbleib der Kinder in Österreich und für Humanität ein. Zurecht wurde der rassistische,  mittlerweile, dem Himmel sei Dank, ehemalige amerikanische Präsident Trump für seine  völlig verrohte Migrationspolitik kritisiert. Wir wollen aber doch wohl nicht diesem moralisch  abgrundtief verwahrlosten Menschen (lesen Sie mal „Die Akte Trump“ des Pulitzer  Preisträgers David Cay Johnston) in irgendeiner Form nachahmen? 

Wir sind uns schon im Klaren darüber dass diese Mädchen aus Georgien und Armenien nicht  Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention darstellen. Aber es gibt ja auch so etwas wie ein  humanitäres Bleiberecht das man dann aussprechen kann, wenn hoffnungsfrohe und gut  integrierte Menschen Österreich als ihre neue Heimat betrachten. Was folgt den als  nächstes? Werden wir Hazara Mädchen, welche die westliche Gesellschaft längst vorbildlich  finden, zu den brutalisierten Gotteskriegern der Taliban nach Afghanistan abschieben? Oder  tschetschenische Mädchen welche die Vorteile der Gleichberechtigung der Geschlechter in  Österreich für sich in Anspruch nehmen zu den wahnsinnigen Clan Kämpfern in den  Nordkaukasus?  

Ich erwarte mir von denen, die noch mehr Härte in der Asylpolitik einfordern, keine  Solidarität für Menschen in Not, vielleicht aber doch Unterstützung aus pragmatischen  Gründen. Denn man sollte sich Folgendes überlegen: Wenn derart gnadenlos mit  unschuldigen Menschen, insbesondere Kindern, verfahren wird, stellt sich doch die Frage,  was wir und unsere (österreichischen) Kinder zu befürchten haben, wenn einmal alle, die  man zu Feindbildern erklärt hat, abgeschoben sind? Da wird es dann neue Feindbilder  brauchen. Wie wird in Zukunft mit Arbeitslosen umgegangen werden? Was haben Menschen  zu erwarten, die sich für Minderheiten einsetzen? Das sind nur einige Überlegungen, die sich  in dieser Situation aufdrängen. 

Günter Grass hat in einem seiner letzten Interviews beklagt, dass Menschen wie Bruno  Kreisky oder Willy Brandt heute in keinem Land mehr Asyl bekommen würden. Wir  verdanken diesen großen Sozialdemokraten, die ihr Leben durch Flucht und die Aufnahme in  einem Exilland retten konnten, unendlich viel, das sollte nicht in Vergessenheit geraten.  Zehntausende Verfolgte des NS-Regimes haben nur überlebt, weil sie flüchten konnten – und notgedrungen oft auch illegal Grenzen überquerten.  

Auf jeden Fall sollten wir den Verantwortlichen für diese Kinder Abschiebungen eines sagen:  dass wir es einfach nicht verstehen wollen, wenn Kinder in eine ungewisse Zukunft in den Kaukasus abgeschoben werden. Stellen wir uns einfach vor, es wären unsere  österreichischen Kinder, die einem unversöhnlich an Feindbildern festhaltenden Menschen  in die abschiebenden Hände fallen.  

Sigi Stupnig, Psychologe