Holocaust-Gedenktag heute 27.1.2022
Die Shoa wirkt nach
Wie so oft sitze ich an meinem Schreibtisch und denke nach.
Denke an die Ermordeten, die Vertriebenen, die nie Geborenen.
Der Holocaust ist Teil meiner Familiengeschichte und damit auch Teil meines Lebens.
Ich konnte/wollte mir nie vorstellen, was meine Großeltern erlebt, was sie empfunden haben müssen. Die Eltern meiner Mutter im Viehwaggon auf dem Weg nach Maly Trostinec. Wo man sie ein Wochenende lang ohne Wasser und Brot im Waggon festhielt – weil die Erschiessungsmanschaften Samstag und Sonntag nicht „arbeiteten“. Am Montag wurden sie dann ermordet! Zusammen mit Hunderten anderen aus dem gleichen „Transport“ und doch so allein vor diesem zu frühen und völlig sinnlosen unverdienten Tod. Und meine Großmutter väterlicherseits- alleine vor der Gaskammer, in der sie Schulter an Schulter mit so Vielen und doch so einsam im Grauenhaften starb.
Ich habe nur wenige Fotos dieser Menschen, ohne die ich heute nicht da wäre.
Und dann sehe ich schreiende Menschen auf der Straße, die zum Widerstand gegen eine Krankheit aufrufen und das Brandmal von damals – den gelben Stern – für sich und ihre Wissenschaftfeindlichkeit beanspruchen. Und ich fühle die große Verantwortung der Überlebenden. Die Verantwortung meiner Generation, die das Trauma der Verfolgten geerbt hat und den Auftrag hat für die Ermordeten und die nie Geborenen zu leben. Eine Verantwortung, die schwerer wiegt, als die ganze Welt. Eine Verantwortung, die auch bedeutet – nie wegsehen, wenn Unrecht geschieht, immer laut sein, wenn Menschen verfolgt, gefoltert, vertrieben werden, wenn Menschen ihre Menschenwürde abgesprochen wird. Deshalb bin ich bei Omas gegen Rechts! Deshalb gebe ich meinem Wunsch, nichts mehr zu hören, zu sehen, zu fühlen nicht nach. Weil ich einen Auftrag habe! Diesen Auftrag!