1. Tschetschenien–Syrien–Ukraine.
Tschetschenien, Syrien und die Ukraine–auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Länder mit einer gänzlich anderen Geschichte. Was diese Länder allerdings miteinander verbindet, sind Putins „geopolitische Interessen“ und die Kriege, die von Russland aus gegen diese Länder geführt werden. Putins Einstieg in die Politik war der zweite Krieg gegen Tschetschenien, der 1999 nur 3 Jahre nachdem ersten Tschetschenienkrieg begann. Wie auch der Krieg gegen die Ukraine oder der Krieg in Syrien wurde auch dieser Krieg in der russischen Propaganda nicht als Krieg, sondern als „Antiterroreinsatz“ bezeichnet. Was diese Kriege außerdem miteinander verbindet, ist die Art der Kriegsführung. Der zweite Krieg gegen Tschetschenien war ein klassischer „dirty war“, in dem auf russischer Seite hauptsächlich Söldner zum Einsatz kamen, die unglaubliche Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung begingen. Damals hat man das in Europa als „innere Angelegenheit Russlands “betrachtet und ließ Putin gewähren. So auch in Syrien, wo Putin das Assad-Regimestützte, das mit einer unglaublichen Brutalität gegen die eigene Bevölkerung vorging. Auch in diesem Krieg spielten russische Söldner eine entscheidende Rolle. Die Gruppe Wagner erreichte internationale Bekanntheit, da sie ihre eigenen Kriegsverbrechenfilmte und ins Netz stellte. Der russische Spin von Assad als legitimen syrischen Präsidenten wurde von Europa nach und nach übernommen; Hauptsache „Stabilität“ in der Region, damit keine Flüchtlinge mehrkommen. Millionen Menschen mussten flüchten, während sich tausende Menschen aus Europa und der ganzen Welt auf Richtung Syrien machten und sich unterschiedlichen Gruppen anschlossen, die gegen das Assad-Regime kämpften, viele davon dem sogenannten „Islamischen Staat“. Im europäischen Vergleich zählt Österreich die zweitmeisten Foreign Fighters. 334 in Österreich lebende Personen sind oder haben versucht aus zu reisen, um sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ anzuschießen. Der Großteil der österreichischen Foreign Fighters in Syrien besteht aus Menschen mit tschetschenischen Wurzeln. Für viele spielte dabei die Geschichte vom Globalen Dschihad oder die Propaganda des sogenannten „Islamischen Staates“ keine große Rolle. Viele junge Menschen sahen in Syrien die Möglichkeit, den Kampffortzusetzen, den die Generation ihrer Eltern verloren hatte. Erleben wir jetzt im Kontext des Krieges gegen die Ukraine eine ähnliche Dynamik? Tschetschenen kämpfen auf beiden Seiten, auf der Seite der russischen Föderation gezwungenermaßen von Kadyrov und auf der Seite  Ukraine kämpfen unter anderem bereits seit 2014 die Bataillone „Sheykh Mansur“ und „Dschovchar Dudajev“. Russische Seite Wir stehen mit jungen Tschetschenen, die von Österreich aus in die russische Föderation abgeschoben wurden, in Kontakt. Sie haben furchtbare Angst, den Einberufungsbefehl zu bekommen und bereiten sich darauf vor, erneut zu flüchten, denn sie wollen nicht für Putin in den Krieg ziehen. Am 25.Februar versammelte Kadyrov nach eigenen Angaben „12 000 Soldaten, die jeden seiner Befehle ausführen würden und sofort bereit seien, für Putin in den Krieg gegen die Ukraine zu kämpfen. Sie seien so stark, dass er der Ukraine empfiehlt, aufzugeben. “Viele westliche Medien haben diese Propaganda 1:1 übernommen, doch es gab nie „12 000 Soldaten. “Die Menschen, die dort versammelt wurden, waren zu einem großen Teil Sicherheitskräfte, Polizisten und vor allem Jugendliche, die gezwungen wurden, eine Uniform anzuziehen und sich hinzustellen. Die „12 000 Soldaten“ wurden auch nicht in die Ukraine geschickt. Nachdem das Videoaufgenommen wurde, sind alle wieder zurück nach Hause gegangen. Bereits 2014, zu Beginn des Krieges im Donbass, versammelte Kadyrov „seine Soldaten“, um sie in die Ukraine zu schicken. Suleyman Gesmakhmajev war damals dabei, mittlerweile ist er aus Tschetschenien geflohen und sagte gegenüber der Novaya Gazeta, dass die Waffen, die sie für diese Machtdemonstration in die Hand gedrückt bekommen haben, alle ungeladen waren, weil Kadyrov zu viel Angst vor seinen eigenen Leuten hat.
2. Es Es kämpfen maximal ein paar Tausend Soldaten aus Tschetschenien in der Ukraine, die man in drei Kategorien einteilen kann:
1) Kadyrovs engste Leute, die sich an den Kämpfen gar nicht beteiligen, sondern hauptsächlich Videos für TikTok und Instagram machen. Dementsprechend unbeliebt sind sie auch bei den anderen Soldaten.
2)Junge Tschetschenen (auch viele geistig beeinträchtigte Personen), die dazu gezwungen werden und als Kanonenfutter an die Front geschickt werden. Die meisten werden vor die Wahl gestellt: 10-12Jahre Gefängnis oder Krieg.3)Einfache Arbeiter, die für 300 000 Rubel (umgerechnet ca. 3334 Euro) angeworben wurden. Sie haben keine Kriegserfahrung, können zumeist nicht mal eine Waffe bedienen oder ein Motorradfahren. Ukrainische Seite Sollen junge Tschetschen*innen in die Ukraine fahren und sich dem dortigen Kampf gegen das Putin-Regime anschließen? Akhmed Zakayev, Exil-Präsident der tschetschenischen Republik Ichkeria, antwortet auf diese Frage anlässlich einer Konferenz zum Ukraine-Krieg in Brüssel im Februar 2022: „Unsere volle Solidarität an das ukrainische Volk in ihrem Kampf gegen des Putin-Regime. Euch junge Leute in den Krieg zu schicken hat keinen Vorteil für uns. Ihr müsst einen eigenen Weg einschlagen, damit wir als Volk eine Zukunft haben und die nächste Generation in einem freien Tschetschenien leben kann. “Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin–junge Männer, egal ob aus der russischen Föderation oder Syrien, die flüchten damit sie nicht einrücken und sich an den Verbrechen des Putin-oder Assad-Regimes beteiligen müssen sind wahre Helden, egal ob sie blaue oder braune Augen haben! Nebeneinem baldigen Frieden in der Ukraine und in Syrien hoffen wir vor allem, dass das BFA nicht auf die Idee kommt, weiterhin Menschen in die russische Föderation abzuschieben. Autoreninfos: Fabian Reicher, geb. 1987, arbeitet als Sozialarbeiter bei der Beratungsstelle Extremismus im Bereich der Ausstiegs-und Distanzierungsarbeit. Davor war er sechs Jahre als Streetworkerin Wien tätig und beschäftigte sich hauptsächlich mit der dschihadistischen Jugendsubkultur. Er ist Mitgründer mehrerer Online-Streetwork Initiativen, unter anderem das von der Europäischen Kommission als bestpractice ausgezeichnete Projekt Jamal al-Khatib–Mein Weg. Reicher lehrt an den verschiedensten Hochschulen Österreichs, arbeitet international als Referent und kann auf diverse wissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, wie zu Letzt Die Wütenden. Warum wir im Umgang mit dschihadistischem Terror radikal umdenken müssen, das im Februar 2022 im Westend Verlag erschien. Adam: Adam 19 Jahre jung, Mitglied eines Verein namens Ichkeria-tätig als Speaker sowie Brückenbauerinder tschetschenischen Diaspora Community. Schließt dem nächst eine Lehre als Applikationsentwickler ab. Die Freizeit wird genutzt meist fürs kreative sowie Skateboarden, Training oder sogar für Programmiere Aufgaben.
Viele junge Tschetschen*innen wissen oft nur sehr wenig über ihre eigene Geschichte. Vor allem aber außerhalb der Diaspora-Communities herrscht großes Unwissen über zentrale Ereignisse in der tschetschenischen Geschichtsschreibung. In der Videoserie „CHECHNYA–Der Tag an dem ich meine Heimat verlassen musste“ behandelte Team Jamal daher zentrale Ereignisse der jüngeren tschetschenischen Geschichte: Die Deportationen von Tschetschen*innen durch das Stalinregime1944 und die darauffolgenden Tschetschenien-Kriege. Dabei wurden alternative Narrative entwickelt, einer seits zu den im Diskurs zur tschetschenischen Geschichte dominierenden Märtyrer-, Krieger-, aber auch Opfernarrativen, andererseits zu den in der Gesellschaft vorherrschenden rassistischen und kulturalistischen Ressentiments.
Autoreninfos: Fabian Reicher, geb. 1987, arbeitet als Sozialarbeiter bei der Beratungsstelle Extremismusim Bereichder Ausstiegs-und Distanzierungsarbeit. Davor war er sechs Jahre als Streetworkerin Wien tätig und beschäftigte sich hauptsächlich mit der dschihadistischen Jugendsubkultur. Er ist Mitgründer mehrererOnline-Streetwork Initiativen, unter anderem das von der Europäischen Kommission als best practice aus gezeichnete Projekt Jamal al-Khatib–Mein Weg.Reicher lehrt an den verschiedensten Hochschulen Österreichs, arbeitet international als Referent und kann auf diverse wissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, wie zu letzt Die Wütenden. Warum wir im Umgang mit dschihadistischem Terror radikal umdenken müssen, das im Februar 2022 im Westend Verlagerschien.
Adam: Adam 19 Jahre jung, Mitglied eines Verein namens Ichkeria-tätig als Speaker sowie Brückenbauerinder tschetschenischen Diaspora Community. Schließt dem nächst eine Lehre als Applikationsentwickler ab. Die Freizeit wird genutzt meist fürs kreative sowie Skateboarden, Training oder sogar für Programmier Aufgaben. Infokasten: Videoserie: Chechnya–der Tag an dem ich meine Heimat verlassen musste