Unter den Augen eines burmesischen Soldaten verlassen bewaffnete Arakanesen ein brennendes Dorf. Bundesstaat Arakan, Burma, Juni 2012. © 2012 Private

Muslimische Rohingya griffen Sicherheitskräfte der Regierung an

Yangon – Bei Gefechten zwischen muslimischen Rohingya-Rebellen und Sicherheitskräften im Westen Myanmars hat es nach Behördenangaben am Wochenende mehr als hundert Tote gegeben. Aufständische Rohingya griffen demnach mehrere Polizeiwachen im Bundesstaat Rakhine an.

De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi beschuldigt die Rohingya-Rebellen, dabei Häuser niedergebrannt und Kinder als Kämpfer eingesetzt zu haben. Auf der Facebook-Seite ihres Büros waren am Montag mehrere Erklärungen zum Kampf der „Terroristen“ gegen die Sicherheitskräfte zu lesen.

Zu sehen waren auch Fotos von angeblich von den Rebellen getöteten Zivilisten. Die Rebellenorganisation Arsa bestritt auf Twitter die Anschuldigungen. Vielmehr hätten „brutale Soldaten“ im Bundesstaat Rakhine zusammen mit buddhistischen „Extremisten“ Rohingya-Dorfbewohner angegriffen, deren Eigentum geplündert und ihre Häuser abgebrannt.

Flüchtlinge am Grenzübergang

Tausende Rohingya flohen vor der Gewalt in Richtung Bangladesch. Doch die dortigen Sicherheitskräfte nahmen die Menschen zum Teil fest. Rund 70 Rohingya wurden wieder nach Myanmar abgeschoben. Myanmars Armeechef Min Aung Hlaing erklärte, Soldaten und Polizisten hätten gemeinsam gegen die „Terroristen“ gekämpft. Die Angreifer waren nach seinen Angaben mit Schusswaffen und selbstgebauten Sprengsätzen bewaffnet. Laut Armee töteten sie mindestens ein Dutzend Sicherheitskräfte.

Allein am Grenzübergang Ukhiya in Bangladesch trafen nach Angaben der Grenztruppen mehr als tausend Frauen der Minderheit mit Kindern und Vieh ein. Im Grenzgebiet Ghumdhum schossen Soldaten aus Myanmar auf die Flüchtenden. Vielen gelang jedoch die Grenzüberquerung. Etwa vier Kilometer vom Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch entfernt nahm die Polizei 70 Flüchtlinge fest. Polizeichef Abu Khaer sagte der Nachrichtenagentur AFP, alle 70 seien zwangsweise nach Myanmar zurückgebracht worden.

Bangladesch nahm 400.000 Menschen auf

Im Lager Kutupalong leben tausende Rohingya unter erbärmlichen Bedingungen. Bangladesch hat insgesamt etwa 400.000 Rohingya-Flüchtlinge aufgenommen. Ein Regierungsvertreter sagte der AFP, dass die Behörden im Grenzbezirk zu Myanmar angewiesen worden seien, keine „illegalen Grenzübertritte“ zuzulassen. Dort befinden sich mehrere große Flüchtlingscamps.

In Rakhine wurden unterdessen auch sechs Mitglieder einer Hindu-Familie – darunter eine Frau und drei Kinder – Opfer der Gewalt. Ihre von Kugeln durchsiebten Leichen wurden in ein Krankenhaus gebracht. Aufständische Rohingya hätten die Familie erschossen, sagte ein Verwandter.

Bittere Armut

In Rakhine leben etwa eine Million Rohingya in bitterer Armut. Sie gelten als eine der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Weite Teile der buddhistischen Mehrheit in Myanmar betrachten sie als illegale, staatenlose Einwanderer aus Bangladesch, obwohl viele Rohingya schon seit Generationen in Myanmar leben.

Grenzposten in Rakhine waren bereits im Oktober 2016 angegriffen worden, woraufhin die Armee eine Offensive einleitete. Zehntausende flohen vor den Kämpfen. Die Spannungen in dem Bundesstaat nahmen in den vergangenen Wochen weiter zu. Nach mehreren tödlichen Angriffen verlegte die Armee Mitte August weitere Truppen in die Region. Die Uno zeigte sich besorgt und rief die Regierung zur Achtung der Menschenrechte der Rohingya auf.

Eine Kommission unter Leitung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan hatte am Donnerstag einen Bericht zur Lage der Minderheit in Rakhine veröffentlicht. In der von der Regierung in Auftrag gegebenen Untersuchung fordert das Gremium, den Rohingya mehr Rechte zuzugestehen, um eine Radikalisierung zu verhindern. Den neuerlichen Gewaltausbruch nannte Annan eine „beunruhigende Eskalation“. Er rief zu einem Gewaltverzicht auf und forderte die Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf.

http://derstandard.at