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Die Gewaltverbrechen des burmesischen Militärs an den Rohingya sorgen für Entsetzen. Dabei ist schon seit Jahren ein versteckter Genozid an der muslimischen Minderheit im Gange, wie eine Studie zeigt.

Die muslimische Minderheit der Rohingya wird in Burma brutal unterdrückt. Allein in den vergangenen Wochen sind mindestens 86 von ihnen wohl vom Militär erschossen worden. Soldaten sollen Frauen der Rohingya vergewaltigt und ganze Dörfer in Brand gesteckt haben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf der burmesischen Armee am Montag vor, mit einer „äußerst harten und systematischen Gewaltkampagne“ gegen die Volksgruppe vorzugehen.

Tatsächlich sind die Rohingya schon seit Jahren massiv bedroht – von Hunger, Infekten und Hygienemangel.

Das zeigt eine neue Studie der der renommierten Harvard Medical School in Boston. Grundlage der Untersuchung sind Daten unterschiedlicher Hilfsorganisationen und Beobachter der EU und den USA. Die Wissenschaftler werfen der Regierung Burmas Völkermord oder zumindest eine ethnische Säuberung vor.

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Der Staat verweigert den teils schon seit Generationen in dem Land lebenden Muslimen die Staatsbürgerschaft, nationalistische Buddhisten bezeichnen sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch. Viele sind in heruntergekommenen Camps nahe der Grenze untergebracht. Seit Oktober hat sich die Lage noch einmal zugespitzt: Bei Angriffen auf Grenzposten wurden neun Polizisten ermordet, nach Angaben der Behörden von Muslimen. Danach begannen Beobachtern zufolge die Gewaltverbrechen des Militärs.

Besonders gravierend aber ist, dass die Rohingya in Rakhine seitdem nicht mehr mit Hilfslieferungen versorgt werden; die Regierung hat das Gebiet abgeriegelt. Dabei leiden viele Rohingya unter massiver Mangelernährung, wie die Mediziner der Harvard-Studie feststellten. Hinzu kommen häufige Durchfallerkrankungen und andere Infektionen – und durch die harte Linie der Politik wird die medizinische Versorgung jetzt zusätzlich blockiert.

  • Die Kindersterblichkeit ist unter Rohingya in Rakhine fünfmal höher als im Rest Burmas. Der Studie zufolge sterben 224 von 1000 Rohingya-Kinder im Alter von unter fünf Jahren – also fast jedes vierte. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen stellte für kein Land der Welt eine höhere Rate fest.
  • Ein Grund dafür: Jedes vierte Kind der Rohingya in Rakhine leidet unter akuter Mangelernährung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht für die gesamte Minderheit eine Gefahr und fordert Lebensmittelhilfen.
  • Noch höher ist der Anteil der Kinder unter fünf Jahren, die an Durchfallerkrankungen leiden – der Studie zufolge sind es knapp 40 Prozent. Innerhalb der nichtmuslimischen Bevölkerung im Rakhine-Staat sind nicht einmal zehn Prozent der Kinder davon betroffen.
  • Da die Rohingya nicht frei im Land reisen dürfen, haben Frauen oftmals keinen Zugang zu medizinischer Versorgung während ihrer Schwangerschaft. Bei 380 von 100.000 Geburten stirbt die Mutter, im Rest Burmas enden 316 von 100.000 Geburten für die Frauen tödlich.
  • Die Rohingya sind strengen Vorschriften zur Familienplanung unterworfen. Sie dürfen nur zwei Kinder bekommen – haben aber nicht ausreichend Zugang zu Verhütungsmitteln. Das führt dazu, dass jede siebte Frau der Rohingya in Burma bereits eine Abtreibung vornehmen lassen musste, ein Viertel von ihnen schon mehrfach. Oft werden die Eingriffe unter unhygienischen Umständen und durch Laien ausgeführt.
 Hilfsorganisationen sprechen angesichts des Vorgehens des Militärs und der Regierung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nun erhöhen auch die Nachbarstaaten des südostasiatischen Landes den Druck. Am Montag traf sich Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi , die mit ihrer Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) die Regierung des Landes anführt, mit dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) in Rangun.

Das Treffen soll wieder Bewegung in den Konflikt gebracht haben, der vorher vonseiten der burmesischen Regierung totgeschwiegen wurde. Der indonesische Außenminister Retno Marsudi sagte nach dem Treffen in Rangun, Suu Kyi habe zugesagt, Hilfsorganisationen wieder in die Rohingya-Gebiete in Rakhine vor zu lassen. Ein konkretes Datum sei dafür aber nicht genannt worden.

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