Die vier im Irak festgenommenen deutschen IS-Anhängerinnen können nicht mit einer schnellen Rückkehr rechnen. Nach SPIEGEL-Informationen hat die irakische Justiz ein Verfahren gegen die Frauen eröffnet.

Den vier im Irak festgenommen deutschen IS-Anhängerinnen droht ein langwieriges Strafverfahren in Bagdad. Nach SPIEGEL-Informationen teilte die irakische Justiz deutschen Diplomaten mit, der Generalstaatsanwalt habe gegen die vier Frauen ein formelles Strafverfahren eröffnet.

Alle vier Frauen waren aus Deutschland in den Irak gezogen und hatten sich dort der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen. Weil sie Kämpfer des IS heirateten, werden sie auch als sogenannte „Dschihad-Bräute“ bezeichnet.

Eine schnelle Rückkehr der vier Frauen nach Deutschland ist durch diese Entwicklung so gut wie ausgeschlossen. Bei einer Verurteilung wegen der Unterstützung der Terrormiliz durch die irakische Justiz drohen ihnen langjährige Haft oder gar die Todesstrafe.

Ob ein solches Verfahren im weiterhin chaotischen Irak nach rechtsstaatlichen Prinzipien abläuft und mit einer ordentlichen Beweisaufnahme gerechnet werden kann, wurde in Regierungskreisen angezweifelt. Das Auswärtige Amt wollte sich auf Nachfragen des SPIEGEL nicht zu Details des Falls äußern.

Vorwürfe gegen Frauen unklar

Bisher wissen die deutschen Diplomaten noch nicht, was die irakische Justiz den vier deutschen Frauen genau vorwirft. Deswegen sind weitere Gespräche in Bagdad anberaumt. Möglich erscheint eine Anklage wegen Terrorismus oder Mitgliedschaft beim IS.

In Deutschland ermittelt bereits der Generalbundesanwalt wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen die Frauen, über die Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamts (BKA) wollen die Karlsruher Fahnder nun Kontakt zur irakischen Justiz herstellen.

Die vier Frauen waren Mitte Juli nach der Befreiung der IS-Hochburg Mossul von irakischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Sie hatten sich offenbar beim Abzug der IS-Kämpfer aus der Stadt in einem Kellergewölbe versteckt. Berichte, wonach die Frauen schwer bewaffnet gewesen seien, bestätigten sich aber nicht.

Neben Linda W. aus dem sächsischen Pulsnitz setzten die Soldaten auch die 20 Jahre alte Nadja und ihre 50 Jahre alte Mutter fest. Lamia K. kommt aus Mannheim und hat marokkanischen Wurzeln. Die Mutter war bereits vor ihrer Ausreise ins Krisengebiet im Jahr 2014 durch islamistische Posts im Internet aufgefallen.

Ebenso wurde in Mossul die in Tschetschenien geborene Deutsche Fatima M. festgenommen. Sie setzte sich nach Erkenntnissen der deutschen Behörden vor längerer Zeit aus Herford zum IS ab, ihr Ehemann war zuvor bereits in der islamistischen Szene in Nordrhein-Westfalen aktiv. Fatima M. reiste mit zwei Kindern ins Kriegsgebiet, sie wurden aber offenbar bei einem Raketenangriff getötet.

Ermittler erhoffen sich Einblicke in IS-Strukturen

Die deutschen Behörden würden die vier Frauen gerne intensiv vernehmen, schließlich könnten sie einen Einblick in bisher unbekannte Strukturen des IS und möglicherweise auch Hinweise auf andere aus Deutschland ausgereiste Islamistengeben. Auch die US-Geheimdienste sind an den Deutschen interessiert.

Bisher bekam der Bundesnachrichtendienst (BND) Zugang zu den vier deutschen Frauen, das BKA will in den kommenden Tagen eine formelle Vernehmung bei den irakischen Behörden erreichen.

Wie kooperativ die Frauen sind, ist nach Angaben aus Sicherheitskreisen offen. Linda W. hatte in einem Interview mit einem irakischen TV-Reporter zunächst gesagt, sie sei von den Erlebnissen der letzten Monate traumatisiert und wolle nun schnell nach Hause.

In Gesprächen mit Vertretern der Botschaft aber gab sie sich zuerst als weiterhin überzeugte IS-Anhängerin. Später dann bat sie um Hilfe, mit ihren Eltern in der sächsischen Heimat sprechen zu dürfen.

Welche Rolle die Deutschen innerhalb des IS spielten, wissen die deutschen Behörden noch nicht. Nach den Befragungen gehen die Mitarbeiter nach SPIEGEL-Informationen jedoch nicht mehr von einer Einbindung der Frauen in militärische Strukturen oder in den Sicherheitsapparat des IS aus.

Hinweise, wonach die Frauen Teil der brutalen Sittenpolizei des IS gewesen seien, hätten sich nicht bestätigt, hieß es nach den ersten Treffen in einem Gefängnis in Bagdad.

Von  und 

Mitarbeit: Jörg Diehl, Martin Knobbe, Fidelius Schmid, Wolf Wiedmann-Schmidt

 

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