Rund zwei Millionen Rohingyas gibt es. Diese muslimische Minderheit lebt in Armut und ohne Rechte. Neun Fragen und Antworten zur weltweit grössten staatenlosen Volksgruppe.

UNO ruft zum Ende der Gewalt auf

1:15 min, aus Tagesschau vom 14.9.2017

Wie viele Rohingya gibt es? Es gibt verschiedene Zahlen, die von 750’000 bis zu zwei Millionen Rohingya im Gebiet von Burma berichten. Etwa eine Million weiterer Rohingya sollen als Flüchtlinge in Bangladesch und weiteren Staaten leben.

Wo leben sie? Die Rohingyas leben um die Städte Buthidaung und Maungdaw im nördlichen Teil des Staates Rakhine. Dieser liegt im Westen Burmas an der Grenze zu Bangladesch. Weitere grosse Communities gibt es in Bangladesch, Pakistan, Saudi-Arabien, Malaysien und Thailand.

Wovon leben sie? Laut eigenen Angaben sind Rohingyas vor allem in der Landwirtschaft tätig, einige wenige leben als Fischer und Händler. Daneben gibt es viele Handwerker. Die Verfolgung hindert sie allerdings an der Ausübung ihrer Tätigkeiten. Heute herrscht extreme Armut vor, und die Zahl der Analphabeten wird von Kennern mit 80 Prozent angegeben.

Bildlegende:Bittere Armut und keine Rechte: Rohingya-Kinder ausserhalb der Stadt Buthidaung, Rakhine. REUTERS

Woher kommt diese muslimische Minderheit? Die Frage nach der Herkunft der Rohingyas ist umstritten. Die buddhistischen Birmanen, die Mehrheit im Land, sind der Meinung, dass es sich nicht um eine Minderheit handelt, sondern lediglich um Einwanderer aus Bengalen (dem heutigen Bangladesh), die noch immer tagtäglich über die Grenze nach Burma kommen. Deshalb verwenden sie für diese Volksgruppe auch nicht den Begriff Rohingya, sondern «Bengalis». Die Rohingyas hingegen sagen, dass sie schon seit vielen Generationen im Staat Rakhine leben. Das ist in weiten Teilen auch historisch belegt.

Warum werden die Rohingya verfolgt? Es gibt in Burma sehr viele verschiedene ethnische Gruppen. Die ethnischen Konflikte in Burma beschränken sich nicht auf den Rakhine-Staat. Das Zusammenleben klappt allgemein sehr schlecht. Die Muslime und die Rohingyas werden aber nochmals besonders diskriminiert. Die antimuslimischen Ressentiments sind bei der buddhistischen Mehrheit sehr gross.

Die Rohingyas werden seit Jahrzehnten ausgegrenzt. Und weil sie als Einwanderer und nicht als Minderheit gelten, anerkennt die Regierung sie nicht als Staatsbürger. Das wurde 1982 im Staatsbürgerschaftsgesetz festgeschrieben. Rohingyas können somit nicht wählen und sich auch nicht frei bewegen. Wenn sie heiraten wollen, müssen sie die Behörden um Erlaubnis bitten. Amnesty International berichtet auch von willkürlicher Besteuerung, Erpressung, Landbeschlagnahmungen und Zwangsarbeit.

Was wird ihnen nun vorgeworfen? Die jetzige Krise begann mit einem Überfall auf drei Polizeiposten in Burma an der Grenze zu Bangladesch im vergangenen Oktober. Rohingyas töteten neun Polizisten. Daraufhin riegelte die Armee Teile des Gliedstaates Rakhine ab. Die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi stellt die Rohingyas als Terroristen dar.

Sind sie tatsächlich Terroristen? Laut der Burma-Spezialistin Jasmin Lorch ist es sehr schwierig, etwas dazu zu sagen. Es deutet vieles darauf hin, dass die «Arakan Rohingya Salvation Army», die sich zu den Angriffen auf die Polizeistationen bekannt hat, so etwas ist wie eine klassische Aufstands-Armee. Es ist möglich, dass da Verbindungen zu militanteren und islamistischen oder gar terroristischen Gruppen bestehen. Aber nachgewiesen ist es nicht. Weil der Zugang zum Konfliktgebiet so stark eingeschränkt ist, ist es sehr schwierig, dies momentan zu klären.

Ist dies die erste grosse Flüchtlingswelle? Nein, die Flüchtlingswelle, die Ende August eingesetzt hat, ist nicht die erste. Es gab bereits Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1990er Jahre zwei grosse Fluchtwellen von Rohingyas.

Wo sollen die Rohingyas hin? Das ist eine schwierige Frage. Keiner will sie. In den 1970er und 1980er Jahren wurden die Rohingya in Bangladesch noch grosszügig aufgenommen. Es gibt mehrere Lager an der Grenze zu Burma. Jetzt plant die Regierung weitere davon. Allerdings könnte die Stimmung in der Bevölkerung, die jetzt noch solidarisch ist, kippen. Indien hat Andeutungen gemacht, Flüchtlinge aus dem Land zu weisen. Malaysias Küstenwache will Flüchtlingsbote passieren lassen, aber wer es überhaupt ins Land schafft, hat grosse Schwierigkeiten, Flüchtlingsstatus zu erhalten.

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