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Groß Schönebeck (MOZ) Vor dreieinhalb Jahren ist Zaynab Arsunkaeva nach Groß Schönebeck gekommen. Dort hat die Tschetschenin mittlerweile einen Job in der Kita, eine Menge Freunde, ihr zehnjähriger Sohn geht in die Schule. Doch nun droht beiden die Abschiebung – in eine Heimat, in der niemand mehr auf sie wartet.

Groß Schönebeck hat es Zaynab Arsunkaeva angetan. Das Leben dort sei etwas Besonderes, die Luft sehr gut. „Ich muss keine Angst haben, wenn mein Kind in die Schule geht“, erklärt die 49-Jährige, etwas schüchtern zwar, aber eben doch auf Deutsch. Angst hat sie dennoch – und zwar, dass die deutschen Behörden sie abschieben.

Als sie der Bescheid über die bevorstehende Abschiebung Ende August erreicht, kommt das für sie überraschend. Darin wird sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche in Richtung Russischer Föderation zu verlassen – sprich: zurück nach Tschetschenien.

Ein Land, in dem ihr Mann, der die Separatisten unterstützt hatte, vom Militär mitgenommen und später ermordet aufgefunden wurde. Ein Land, in dem uniformierte Männer vor ihrer Tür erschienen, sie bedrohten und sogar verletzten. „Ich will nicht zurück“, sagt Zaynab Arsunkaeva. „Ich möchte mit meiner Familie hierbleiben.“

Eine Anwältin, die ihr über das Groß Schönebecker Willkommensteam vermittelt wurde, hat Klage eingereicht gegen den Bescheid. Damit ist die drohende Abschiebung erst einmal vertagt. „Jetzt wartet man“, sagt Rainer Klemke, Sprecher der Initiative. „Das kann Monate, kann aber auch Jahre dauern, bis eine Entscheidung fällt.“

Bis dahin versucht Zaynab Arsunkaeva, ihr Leben in Groß Schönebeck weiterzuleben. Aus ihrem anfänglichen Praktikum in der Kita „Borstel“ ist ein Minijob in der dortigen Essensausgabe geworden. „Jetzt kennen mich alle, sagen „hallo‘ und „guten Tag'“, erklärt sie. Auch die Eltern seien sehr freundlich.

Beim Träger der Einrichtung weiß man nur Gutes über Zaynab Arsunkaeva zu berichten. „Es ist von Anfang an gut gelaufen mit der Zaynab“, sagt Susanne Vetter von den Johannitern. „Sie hat sich so toll integriert.“ Sowohl vom Team aus als auch von den Kindern werde die Muslimin, die stets ihr Kopftuch trägt, nicht nur akzeptiert, sondern auch sehr geschätzt. „Wir sind froh, dass wir sie haben“, sagt Susanne Vetter.

Ähnliches berichten die Mitglieder des Willkommensteams. „Sie ist angekommen und aufgenommen“, sagt Rainer Klemke. „Sie hat hier Freunde gewonnen“, ergänzt Jan Ivers, der Leiter der Gruppe. „Da ist Integrationswille da.“ Nun sucht Zaynab Arsunkaeva einen Ausbildungsplatz, möglichst im Bereich der Pflege. Ihre Bemühungen, sich einzufinden, hat auch der WDR in dem Dokumentarfilm „Dieses bunte Deutschland“ festgehalten.

Integration ist ein langwieriger Prozess, auch im Hinblick auf die bürokratischen Hürden. Nach all den Mühen droht ihr nun die Abschiebung. „Das ist eine große Enttäuschung“, erklärt Rainer Klemke und spricht von „behördlicher Willkür“. „Da wird viel zu wenig im Detail geguckt“, sagt er.

So seien einige Behauptungen, die in dem Schreiben aufgestellt werden, schlichtweg falsch. „In ihrem Heimatland würde sich noch die Großfamilie der Antragstellerin (…) aufhalten“, ist darin zu lesen. Jan Ivers widerspricht: „Das stimmt nicht, ihre Familie ist hier.“ Drei Söhne und vier Enkelkinder, eins davon schwerstbehindert. Dessen Betreuung übernimmt Arsunkaeva an den Wochenenden. Ihre Mutter lebt mit ihrem Neffen in Österreich.

In Tschetschenien wiederum gebe es weder eine finanzielle Perspektive noch eine echte Bleibechance.“Sie kriegt dort ganz schwer einen Mietvertrag“, erklärt Ivers. Sowohl als Muslimin als auch als alleinerziehende Frau. Bei der Suche nach einem Beruf sehe es ähnlich aus.

Hinzu kämen noch ihre gesundheitlichen Schwierigkeiten. Bei Stress bekommt sie Schwindelanfälle, Blackouts. Zaynab Arsunkaeva ist deswegen in ärztlicher Behandlung. Sie leidet außerdem unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die auf ihre Erfahrungen in der Heimat zurückzuführen ist.

All das sind Gründe, die das Willkommensteam hoffen lassen, dass die Klage Erfolg haben wird. Doch egal, wie es weitergeht: „Wir stehen hinter Zaynab und ihrer Familie“, sagt Jan Ivers. Rainer Klemke ergänzt: „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.“

Wer helfen möchte – auch finanziell im Hinblick auf die Anwaltskosten -, kann sich per E-Mail wenden an: willkommensteam@grossschoenebeck.de.

 

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