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Die schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen gehen ins Finale. Im Wahlkampf versprach Sebastian Kurz „Neues“ und Heinz-Christian Strache mehr „Fairness“. Für Flüchtlinge, Arbeitslose und Schüler wird das Leben ungemütlicher.

Wer rechts blinkt, biegt im Allgemeinen auch rechts ab. Es sollte daher niemanden überraschen, dass ÖVP und FPÖ sich anschicken, das zu tun, was sie im Wahlkampf ankündigten und wofür sie auch gewählt wurden. Und wahrscheinlich werden sie rasch zur Umsetzung schreiten. Die Arbeitsgruppen haben ihre Berichte erstellt. Über das verlängerte Wochenende um Mariä Empfängnis könnte die Steuerungsgruppe unter Leitung von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Feintuning vornehmen und die bestehenden Differenzen, etwa bei der Stärkung der direkten Demokratie, glätten. Die Angelobung könnte am 20. Dezember erfolgen.

Je mehr Detailergebnisse aus den Verhandlungen präsentiert werden oder durchsickern, umso deutlicher wird: ÖVP und FPÖ planen eine Wende zum Härteren: mehr Eigenverantwortung, weniger Solidarität; Leistung statt Komfort; Law and Order. Besonders deutlich wird die neue Härte in jenen Politikfeldern, die schon in den vergangenen Jahren Schauplatz ideologischer Auseinandersetzungen waren: Migration, Arbeitsmarkt, Bildung. ÖVP und FPÖ nennen es Reform und Modernisierung, ihre Gegner einen konservativen Backlash. Garniert wird mit gesellschaftspolitischen Retro-Schritten, Paradebeispiel ist die Durchlöcherung der Rauchverbote, ein Herzensanliegen der FPÖ. Was kommt, wenn bald Schwarz-Blau kommt.

Dieser Artikel stammt aus profil 49/2017.Das aktuelle Heft können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.

150.000 Menschen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Pakistan, Irak oder Somalia sind seit 2015 in Österreich gestrandet. 50 Prozent erhielten Asyl, ein Teil zog weiter, einige Tausend wurden abgeschoben oder gingen freiwillig. Der Großteil blieb.

Man könnte meinen, ein Masterplan zur raschen Integration der Neuankömmlinge hätte bei Verhandlungen über eine neue Regierung Priorität. Das Gegenteil ist der Fall. Keine Zwischenberichte aus den Verhandlungen, kaum Spekulationen über ein eigenes Ministerium oder Staatssekretariat. Integration als Orchideenfach, das Hauptfach bleibt die Schließung von Flüchtlingsrouten und der Kampf gegen illegale Migration. ÖVP und FPÖ wollen den Anschein vermeiden, die hohe Anzahl an Flüchtlingen vorschnell zu akzeptieren. „Asyl ist Schutz auf Zeit“, zitiert der Chef-Stratege und Generalsekretär der Freiheitlichen, Herbert Kickl, einen blauen Grundsatz und erinnert an Heimkehrer nach Ende des Jugoslawien-Krieges. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz meinte in der Vergangenheit fast gleichlautend: „Asyl ist immer Schutz auf Zeit.“ Ein Freiheitlicher aus dem inneren Kreis wird noch deutlicher. „Wozu sollen wir Asylanten integrieren, wenn sie nach Ende des Krieges wieder heimkehren?“ Zwei Maßnahmen, die FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Kurz in der Frühphase der Gespräche eilig verkündeten, passen zur neuen Härte: Die Kürzung der Mindestsicherung und die von sechs auf zehn Jahre verlängerte Anwartschaft auf die Staatsbürgerschaft. „Wer sich integrieren will, soll das tun“, sagt Kickl trocken. Subtext: Wer das unter härteren Bedingungen nicht schafft, soll sich nicht zu gut einrichten und möglichst weiterziehen.

Eine Steilvorlage für diese Politik hat ausgerechnet die rot-schwarze Vorgängerregierung geliefert. Unter dem Eindruck voller Flüchtlingscamps ließ sich die SPÖ im Februar 2016 von der ÖVP zu einem der schärfsten Asylgesetze Europas drängen. Flüchtlinge, die ab November 2015 einen Asylantrag stellten, erhielten nur noch „Asyl auf Zeit“. Nach drei Jahren, also frühestens ab Februar 2019, prüft das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), ob der Aufenthaltstitel unbegrenzt verlängert oder aberkannt wird. Das BFA ist dem Innenministerium unterstellt, das im Fall einer schwarz-blauen Regierung wohl an die FPÖ gehen würde. Die Partei könnte rechtzeitig einen Hardliner an die Spitze des BFA setzen. Der Vertrag des aktuellen Chefs, Wolfgang Taucher, läuft Ende 2018 aus.

Blick in Kriegsländer

Wie realistisch die Rückkehr einer markanten Zahl an Flüchtlingen ist, entscheidet sich aber zuallererst in den Kriegsländern – wie etwa Syrien. „Im Kurdengebiet des Landes besteht schon jetzt ein hohes Maß an Sicherheit, auch die Rückkehrwelle in die zweitgrößte Stadt des Landes, Aleppo, ist ermutigend“, sagt Brigadier Walter Feichtinger von der Landesverteidigungsakademie. In bestimmten Deeskalationszonen hätten sich die Kampfhandlungen um 90 Prozent reduziert. Nach dem Willen von Russland sollen diese Zonen auf ganz Syrien ausgedehnt werden. „Im Übergangsjahr 2018 wird man sehen, wie weit sich Frieden festigen kann.“ Ob die zerstörte Infrastruktur rasch genug wiedererrichtet wird, um eine Rückkehr zu ermöglichen, sei eine andere Frage, meint Feichtinger.

In Afghanistan existieren aus Sicht heimischer Behörden schon jetzt sichere Zonen für Rückkehrer. Folglich wurden seit Jahresbeginn 85 Menschen nach Kabul abgeschoben. Ein blauer Innenminister würde wohl nichts unversucht lassen, diese Zahl zu vervielfachen -mit der berühmt-berüchtigten Herkules-Maschine im medialen Blitzlicht. Doch nun haben die UN ganz Afghanistan wieder offiziell zum Kriegsland erklärt, was den Plan vorerst durchkreuzt. Jede noch so entschlossene Regierung wird bei Rückschiebungen außerdem auf die Zustimmung Afghanistans angewiesen bleiben. Ohne Heimreisezertifikate für einzelne Flüchtlinge keine Einreise.

Aus rechtlicher Sicht beschränken die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention den Spielraum der Asyl-Behörden. Nach spätestens fünf Jahren darf Asyl nicht mehr aberkannt werden, selbst wenn in der alten Heimat Frieden herrscht. Die Schutzfrist kann sich verkürzen, wenn Flüchtlinge Familienleben in Österreich pflegen oder top-integriert sind.

Nach drei Jahren Asyl auf Zeit hätten Asylbehörden höchstens zwei weitere Jahre Zeit, um Tausende Asyl-Titel einzeln zu prüfen und gegebenenfalls abzuerkennen. Ein enormer Aufwand angesichts dieser Zahlen: Seit dem Stichtag 15. November 2015 haben 80.000 Menschen im neuen Regime um „Asyl auf Zeit“ angesucht, die Anerkennungsquote lag seither bei durchschnittlich 50 Prozent.

„Gelder und Kurse reichen vollkommen aus“

Oder die Flüchtlinge treten freiwillig die Heimreise an, weil ihnen das Klima im schwarz-blauen Österreich zu frostig geworden ist. So sehr die Mindestsicherung auch gekürzt und der Ton verschärft wird – Efgani Dönmez glaubt nicht daran. Der ÖVP-Politiker hat sich mit der syrischen Community in Wien beschäftigt und kommt zum Schluss: „Selbst wenn heute der Krieg vorbei ist, würden drei Viertel bleiben. Wir sollten sie deswegen so rasch als möglich integrieren.“ Dönmez verhandelt für die ÖVP das Integrationskapitel. Einblick in die Verhandlungen will er nicht geben, er sagt nur so viel: „Die Gelder und Kurse, die es heute für Integration gibt, reichen vollkommen aus. Davon hätten frühere Migranten nur träumen können.“

Bereits absehbar: Wer an Kursen nicht teilnimmt, muss künftig mit schärferen Sanktionen rechnen, bis zum Totalverlust der Mindestsicherung. Möglicherweise werden verpflichtende Wertekurse beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), die derzeit nur acht Stunden dauern, ausgebaut. Wie passt dieser Zugang zur Integration mit dem Plan der Remigration zusammen? Für ÖVP und FPÖ sehr gut: Alles in Österreich Gelernte helfe daheim beim Wiederaufbau.

Es könnte sogar mehr Geld für Flüchtlinge geben – aber nur einmalig, in Form von Rückkehrprämien. Das Kalkül: Im Vergleich zu Jahren in der Mindestsicherung sind ein paar Tausend Euro für den Neustart in der alten Heimat günstig. Für diesen Zugang gibt es ein prominentes Vorbild: 1999 drängte der ehemalige Landeshauptmann Kärntens und FPÖ-Chef Jörg Haider auf Rückkehr von 380 kosovarischen Flüchtlingen im Bundesland und bot jedem 650 Euro an, um daheim die kaputten Türen und Fenster zu kitten. 150 nahmen das Angebot an.

 

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