Beim Confed Cup 2017 konnte sich Russlands Präsident Putin mit Fußball-Legende Pele schmücken
Quelle: AP/IS

Der Kreml dreht im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiter. Europa darf Theresa May im Kampf gegen den Kreml nicht alleine lassen.

Was will sich die westliche demokratische Welt an Aggressionen aus Moskau noch alles gefallen lassen, bevor sie ihnen deutliche Grenzen setzt? In Syrien bombardiert Putins Russland unter zynischer Missachtung des Völkerrechts die Zivilbevölkerung und treibt so einen gnadenlosen Vernichtungs- und Verteidigungskrieg voran. Die Weltöffentlichkeit hält es zum Besten, indem es nach Belieben die „Deeskalationszonen“ oder „Feuerpausen“ausruft, nur um seine brutale Kriegsführung danach unvermindert fortzusetzen.
In der Ukraine macht der Kreml keine Anstalten, seinen in den Minsker Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und seine getarnten Besatzungstruppen aus der Ostukraine abzuziehen – von der Revision seiner völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ganz zu schweigen.
Die massive Einmischung in die amerikanische und die französische Präsidentschaftswahl, massive Desinformationsoperationen und Cyberangriffe gegen westliche Demokratien sind Teil einer umfassenden russischen Strategie zu deren Delegitimierung und Unterminierung. Ernsthafte Konsequenzen hatte der Kreml, auch Kraft seiner Stellung als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, für sein gesetzloses Verhalten aber bislang nicht zu fürchten.

Putin als Partner?

Welche Illusion!Im Gegenteil, in Europa und namentlich in Deutschland wächst der Druck vonseiten einer vielstimmigen prorussischen Lobby, auch die schon existenten, eher halbherzigen Sanktionen zurückzufahren. Und in weiten Teilen der westlichen Eliten hält sich hartnäckig die Überzeugung, Russland könne als „Sicherheitspartner“ gewonnen werden, wenn man nur „den Dialog“ mit ihm intensiviere.
So überrascht es nicht, dass der Kreml im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiterdreht. Der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal auf britischem Territorium fügt sich in die Logik des Putin-Regimes, nach der die Fähigkeit zur straflosen Übertretung internationaler Regeln und Normen Ausweis seiner globalen Stärke sei.
Die Botschaft, die das Regime Putins mit dem Einsatz von Nervengift gegen Abweichler und Abtrünnige aussendet, ist klar: Seht her, lässt er damit potenzielle „Verräter“ wissen, irgendwann kriegen wir euch alle, und zwar überall – und wir bereiten euch dabei einen langsamen, qualvollen Tod.
Mit der Verwendung von Giften, die in Russland respektive in der Sowjetunion entwickelt wurden und nach aller Wahrscheinlichkeit nur staatlichen Organen zugänglich sind, gibt das Regime dabei gleichsam seine Visitenkarte ab, ohne dass seine Urheberschaft mit allerletzter Sicherheit nachweisbar ist.

Der Abschuss der MH-17

Konsequent pflegt es, unbeeindruckt selbst von drückender Beweislast, jede Beteiligung an solchen Verbrechen kategorisch abzustreiten und die Vorwürfe zum Teil einer westlichen Verschwörung gegen Russland zu erklären. Es ist ein Schema, das aus anderen Fällen wie dem Abschuss der Passagiermaschine MH-17 über von prorussischen Kräften kontrolliertem ostukrainischem Gebiet sattsam bekannt ist.
Die britische Regierung hat indes den einzig möglichen Schluss aus den Umständen des Attentats auf Skripal (und seine Tochter) gezogen: Entweder die russische Regierung steckt selbst dahinter, oder sie hat keine Kontrolle über ihre Giftgasbestände. Wer freilich könnte Letzteres in Putins autoritärem Geheimdienststaat, in dem nichts annähernd so gut funktioniert wie die Überwachung, ernsthaft für möglich halten?
 Beide Varianten machten jedenfalls eine entschlossene Reaktion der britischen Regierung zwingend. Zumal dies bei Weitem nicht der erste Fall in Großbritannien ist. Bereits 14 Gegner Putins starben dort während seiner Amtszeit unter mysteriösen Umständen, der 2006 mit Polonium vergiftete Alexander Litwinenko ist nur der prominenteste Fall.

Die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten und die Drohung, russische Vermögen einzufrieren, wenn sie für Angriffe auf die britische nationale Sicherheit genutzt werden, ist vor diesem Hintergrund eine alles andere als überzogene Reaktion. Nicht zu unterschätzen ist aber auch Premierministerin Theresa Mays Ankündigung, kein britisches Regierungsmitglied oder Angehöriger des Königshauses werde die bevorstehende Fußball-WM in Russland besuchen.

Mindestens so sehr wie wirtschaftliche und politische Sanktionen fürchtet der Kreml einen westlichen Boykott oder zumindest eine Störung des reibungslosen Ablaufs der WM. Auch den Sport betrachtet Putins Regime als eine Art Kriegsschauplatz, auf dem Russland um jeden Preis seine überlegene Macht demonstrieren müsse. Sein über Jahre hinweg betriebener, staatlich organisierter Dopingbetrug führte zu einer russischen Medaillenschwemme bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014.

Das IOC und die Fifa zögern

Trotz drückender Beweislast konnte sich das IOC jedoch nicht dazu durchringen, Russland ganz vom olympischen Betrieb auszuschließen – und schon gar nicht konnte es den internationalen Fußballverband Fifa dazu bewegen, ihm die Ausrichtung des nächsten prestigereichen sportlichen Mega-Events zu entziehen.

Ein WM-Boykott kann allerdings nicht von Regierungen dekretiert werden. Und die Beziehungen der Fifa wie der meisten nationalen Fußballverbände, der DFB eingeschlossen, zu Russland sind in jeder Hinsicht zu eng, als dass von dieser Seite ein Signal des Widerstands gegen Putins Instrumentalisierung des Sports zu erwarten wäre. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt zudem laut Umfragen einen Boykott ab. Wer will sich auch schon die Freude am größten internationalen Fußballfest nehmen lassen?

Doch das nicht nur von Sportfunktionären gerne bemühte Argument, politische Konflikte dürften nicht auf dem Rücken des Sports ausgetragen werden, zieht nicht. Längst werden sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele und internationale Fußballturniere nicht nur von kommerziellen Interessen beherrscht, sondern auch von autoritären Regimen zur politischen Imagepflege missbraucht.

In Sotschi befahl Putin die Annexion der Krim

Wie wenig aber Putin durch den Glanz, der auf ihn als honorigen Gastgeber des Weltsports fällt, politisch zu besänftigen ist, zeigt die Tatsache, dass er vor der Abschlussfeier in Sotschi die Annexion der Krim befahl.

Wenn schon ein Boykott der WM in Gänze nicht durchsetzbar ist, sollten alle westlichen Regierungen dem britischen Beispiel folgen und Putins Spiele nicht durch die Anwesenheit offizieller Repräsentanten aufwerten.

Überhaupt dürfen die Briten mit den Sanktionen gegen den Kreml nicht allein gelassen werden, sondern müssen von der ganzen EU wie von anderen westlichen Demokratien durch eigene Maßnahmen unterstützt werden. Ob entsprechende Solidaritätsbekundungen aus Brüssel und diversen europäischen Hauptstädten mehr sind als Lippenbekenntnisse, muss sich indes noch zeigen.

 

https://www.welt.de

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich in Moskau nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zum Fall Skripal. Auch der UN-Sicherheitsrat wird sich mit dem Giftanschlag befassen.

Quelle: WELT

AUTOPLAY
Der Kreml dreht im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiter. Europa darf Theresa May im Kampf gegen den Kreml nicht alleine lassen.

Was will sich die westliche demokratische Welt an Aggressionen aus Moskau noch alles gefallen lassen, bevor sie ihnen deutliche Grenzen setzt? In Syrien bombardiert Putins Russland unter zynischer Missachtung des Völkerrechts die Zivilbevölkerung und treibt so einen gnadenlosen Vernichtungs- und Vertreibungskrieg voran. Die Weltöffentlichkeit hält es zum Besten, indem es nach Belieben die „Deeskalationszonen“ oder „Feuerpausen“ausruft, nur um seine brutale Kriegsführung danach unvermindert fortzusetzen.

In der Ukraine macht der Kreml keine Anstalten, seinen in den Minsker Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und seine getarnten Besatzungstruppen aus der Ostukraine abzuziehen – von der Revision seiner völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ganz zu schweigen.

Die massive Einmischung in die amerikanische und die französische Präsidentschaftswahl, massive Desinformationsoperationen und Cyberangriffe gegen westliche Demokratien sind Teil einer umfassenden russischen Strategie zu deren Delegitimierung und Unterminierung. Ernsthafte Konsequenzen hatte der Kreml, auch Kraft seiner Stellung als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, für sein gesetzloses Verhalten aber bislang nicht zu fürchten.

Putin als Partner? Welche Illusion!

Im Gegenteil, in Europa und namentlich in Deutschland wächst der Druck vonseiten einer vielstimmigen prorussischen Lobby, auch die schon existenten, eher halbherzigen Sanktionen zurückzufahren. Und in weiten Teilen der westlichen Eliten hält sich hartnäckig die Überzeugung, Russland könne als „Sicherheitspartner“ gewonnen werden, wenn man nur „den Dialog“ mit ihm intensiviere.

So überrascht es nicht, dass der Kreml im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiterdreht. Der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal auf britischem Territorium fügt sich in die Logik des Putin-Regimes, nach der die Fähigkeit zur straflosen Übertretung internationaler Regeln und Normen Ausweis seiner globalen Stärke sei.

Die Botschaft, die das Regime Putins mit dem Einsatz von Nervengift gegen Abweichler und Abtrünnige aussendet, ist klar: Seht her, lässt er damit potenzielle „Verräter“ wissen, irgendwann kriegen wir euch alle, und zwar überall – und wir bereiten euch dabei einen langsamen, qualvollen Tod.

Mit der Verwendung von Giften, die in Russland respektive in der Sowjetunion entwickelt wurden und nach aller Wahrscheinlichkeit nur staatlichen Organen zugänglich sind, gibt das Regime dabei gleichsam seine Visitenkarte ab, ohne dass seine Urheberschaft mit allerletzter Sicherheit nachweisbar ist.

Der Abschuss der MH-17

Konsequent pflegt es, unbeeindruckt selbst von drückender Beweislast, jede Beteiligung an solchen Verbrechen kategorisch abzustreiten und die Vorwürfe zum Teil einer westlichen Verschwörung gegen Russland zu erklären. Es ist ein Schema, das aus anderen Fällen wie dem Abschuss der Passagiermaschine MH-17 über von prorussischen Kräften kontrolliertem ostukrainischem Gebiet sattsam bekannt ist.

Die britische Regierung hat indes den einzig möglichen Schluss aus den Umständen des Attentats auf Skripal (und seine Tochter) gezogen: Entweder die russische Regierung steckt selbst dahinter, oder sie hat keine Kontrolle über ihre Giftgasbestände. Wer freilich könnte Letzteres in Putins autoritärem Geheimdienststaat, in dem nichts annähernd so gut funktioniert wie die Überwachung, ernsthaft für möglich halten?

Beide Varianten machten jedenfalls eine entschlossene Reaktion der britischen Regierung zwingend. Zumal dies bei Weitem nicht der erste Fall in Großbritannien ist. Bereits 14 Gegner Putins starben dort während seiner Amtszeit unter mysteriösen Umständen, der 2006 mit Polonium vergiftete Alexander Litwinenko ist nur der prominenteste Fall.

Die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten und die Drohung, russische Vermögen einzufrieren, wenn sie für Angriffe auf die britische nationale Sicherheit genutzt werden, ist vor diesem Hintergrund eine alles andere als überzogene Reaktion. Nicht zu unterschätzen ist aber auch Premierministerin Theresa Mays Ankündigung, kein britisches Regierungsmitglied oder Angehöriger des Königshauses werde die bevorstehende Fußball-WM in Russland besuchen.

Mindestens so sehr wie wirtschaftliche und politische Sanktionen fürchtet der Kreml einen westlichen Boykott oder zumindest eine Störung des reibungslosen Ablaufs der WM. Auch den Sport betrachtet Putins Regime als eine Art Kriegsschauplatz, auf dem Russland um jeden Preis seine überlegene Macht demonstrieren müsse. Sein über Jahre hinweg betriebener, staatlich organisierter Dopingbetrug führte zu einer russischen Medaillenschwemme bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014.

Das IOC und die Fifa zögern

Trotz drückender Beweislast konnte sich das IOC jedoch nicht dazu durchringen, Russland ganz vom olympischen Betrieb auszuschließen – und schon gar nicht konnte es den internationalen Fußballverband Fifa dazu bewegen, ihm die Ausrichtung des nächsten prestigereichen sportlichen Mega-Events zu entziehen.

Ein WM-Boykott kann allerdings nicht von Regierungen dekretiert werden. Und die Beziehungen der Fifa wie der meisten nationalen Fußballverbände, der DFB eingeschlossen, zu Russland sind in jeder Hinsicht zu eng, als dass von dieser Seite ein Signal des Widerstands gegen Putins Instrumentalisierung des Sports zu erwarten wäre. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt zudem laut Umfragen einen Boykott ab. Wer will sich auch schon die Freude am größten internationalen Fußballfest nehmen lassen?

Russian President Vladimir Putin poses with Brazilian soccer legend Pele before the Confederations Cup, Group A soccer match between Russia and New Zealand, at the St. Petersburg Stadium, in St. Petersburg, Russia, Saturday, June 17, 2017. The Confederations Cup has kicked off with host nation Russia opening the World Cup rehearsal tournament against New Zealand. (Dmitry Astakhov/Pool Photo via AP)
Beim Confed Cup 2017 konnte sich Russlands Präsident Putin mit Fußball-Legende Pele schmücken

Quelle: AP/IS

Doch das nicht nur von Sportfunktionären gerne bemühte Argument, politische Konflikte dürften nicht auf dem Rücken des Sports ausgetragen werden, zieht nicht. Längst werden sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele und internationale Fußballturniere nicht nur von kommerziellen Interessen beherrscht, sondern auch von autoritären Regimen zur politischen Imagepflege missbraucht.

In Sotschi befahl Putin die Annexion der Krim

Wie wenig aber Putin durch den Glanz, der auf ihn als honorigen Gastgeber des Weltsports fällt, politisch zu besänftigen ist, zeigt die Tatsache, dass er vor der Abschlussfeier in Sotschi die Annexion der Krim befahl.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich in Moskau nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zum Fall Skripal. Auch der UN-Sicherheitsrat wird sich mit dem Giftanschlag befassen.

Quelle: WELT

AUTOPLAY
Der Kreml dreht im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiter. Europa darf Theresa May im Kampf gegen den Kreml nicht alleine lassen.

Was will sich die westliche demokratische Welt an Aggressionen aus Moskau noch alles gefallen lassen, bevor sie ihnen deutliche Grenzen setzt? In Syrien bombardiert Putins Russland unter zynischer Missachtung des Völkerrechts die Zivilbevölkerung und treibt so einen gnadenlosen Vernichtungs- und Vertreibungskrieg voran. Die Weltöffentlichkeit hält es zum Besten, indem es nach Belieben die „Deeskalationszonen“ oder „Feuerpausen“ausruft, nur um seine brutale Kriegsführung danach unvermindert fortzusetzen.

In der Ukraine macht der Kreml keine Anstalten, seinen in den Minsker Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und seine getarnten Besatzungstruppen aus der Ostukraine abzuziehen – von der Revision seiner völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ganz zu schweigen.

Die massive Einmischung in die amerikanische und die französische Präsidentschaftswahl, massive Desinformationsoperationen und Cyberangriffe gegen westliche Demokratien sind Teil einer umfassenden russischen Strategie zu deren Delegitimierung und Unterminierung. Ernsthafte Konsequenzen hatte der Kreml, auch Kraft seiner Stellung als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, für sein gesetzloses Verhalten aber bislang nicht zu fürchten.

Putin als Partner? Welche Illusion!

Im Gegenteil, in Europa und namentlich in Deutschland wächst der Druck vonseiten einer vielstimmigen prorussischen Lobby, auch die schon existenten, eher halbherzigen Sanktionen zurückzufahren. Und in weiten Teilen der westlichen Eliten hält sich hartnäckig die Überzeugung, Russland könne als „Sicherheitspartner“ gewonnen werden, wenn man nur „den Dialog“ mit ihm intensiviere.

So überrascht es nicht, dass der Kreml im sicheren Gefühl seiner Unantastbarkeit die Provokationsschraube gegen den Westen immer weiterdreht. Der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal auf britischem Territorium fügt sich in die Logik des Putin-Regimes, nach der die Fähigkeit zur straflosen Übertretung internationaler Regeln und Normen Ausweis seiner globalen Stärke sei.

Die Botschaft, die das Regime Putins mit dem Einsatz von Nervengift gegen Abweichler und Abtrünnige aussendet, ist klar: Seht her, lässt er damit potenzielle „Verräter“ wissen, irgendwann kriegen wir euch alle, und zwar überall – und wir bereiten euch dabei einen langsamen, qualvollen Tod.

Mit der Verwendung von Giften, die in Russland respektive in der Sowjetunion entwickelt wurden und nach aller Wahrscheinlichkeit nur staatlichen Organen zugänglich sind, gibt das Regime dabei gleichsam seine Visitenkarte ab, ohne dass seine Urheberschaft mit allerletzter Sicherheit nachweisbar ist.

Der Abschuss der MH-17

Konsequent pflegt es, unbeeindruckt selbst von drückender Beweislast, jede Beteiligung an solchen Verbrechen kategorisch abzustreiten und die Vorwürfe zum Teil einer westlichen Verschwörung gegen Russland zu erklären. Es ist ein Schema, das aus anderen Fällen wie dem Abschuss der Passagiermaschine MH-17 über von prorussischen Kräften kontrolliertem ostukrainischem Gebiet sattsam bekannt ist.

Die britische Regierung hat indes den einzig möglichen Schluss aus den Umständen des Attentats auf Skripal (und seine Tochter) gezogen: Entweder die russische Regierung steckt selbst dahinter, oder sie hat keine Kontrolle über ihre Giftgasbestände. Wer freilich könnte Letzteres in Putins autoritärem Geheimdienststaat, in dem nichts annähernd so gut funktioniert wie die Überwachung, ernsthaft für möglich halten?

Beide Varianten machten jedenfalls eine entschlossene Reaktion der britischen Regierung zwingend. Zumal dies bei Weitem nicht der erste Fall in Großbritannien ist. Bereits 14 Gegner Putins starben dort während seiner Amtszeit unter mysteriösen Umständen, der 2006 mit Polonium vergiftete Alexander Litwinenko ist nur der prominenteste Fall.

Die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten und die Drohung, russische Vermögen einzufrieren, wenn sie für Angriffe auf die britische nationale Sicherheit genutzt werden, ist vor diesem Hintergrund eine alles andere als überzogene Reaktion. Nicht zu unterschätzen ist aber auch Premierministerin Theresa Mays Ankündigung, kein britisches Regierungsmitglied oder Angehöriger des Königshauses werde die bevorstehende Fußball-WM in Russland besuchen.

Mindestens so sehr wie wirtschaftliche und politische Sanktionen fürchtet der Kreml einen westlichen Boykott oder zumindest eine Störung des reibungslosen Ablaufs der WM. Auch den Sport betrachtet Putins Regime als eine Art Kriegsschauplatz, auf dem Russland um jeden Preis seine überlegene Macht demonstrieren müsse. Sein über Jahre hinweg betriebener, staatlich organisierter Dopingbetrug führte zu einer russischen Medaillenschwemme bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014.

Das IOC und die Fifa zögern

Trotz drückender Beweislast konnte sich das IOC jedoch nicht dazu durchringen, Russland ganz vom olympischen Betrieb auszuschließen – und schon gar nicht konnte es den internationalen Fußballverband Fifa dazu bewegen, ihm die Ausrichtung des nächsten prestigereichen sportlichen Mega-Events zu entziehen.

Ein WM-Boykott kann allerdings nicht von Regierungen dekretiert werden. Und die Beziehungen der Fifa wie der meisten nationalen Fußballverbände, der DFB eingeschlossen, zu Russland sind in jeder Hinsicht zu eng, als dass von dieser Seite ein Signal des Widerstands gegen Putins Instrumentalisierung des Sports zu erwarten wäre. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt zudem laut Umfragen einen Boykott ab. Wer will sich auch schon die Freude am größten internationalen Fußballfest nehmen lassen?

Russian President Vladimir Putin poses with Brazilian soccer legend Pele before the Confederations Cup, Group A soccer match between Russia and New Zealand, at the St. Petersburg Stadium, in St. Petersburg, Russia, Saturday, June 17, 2017. The Confederations Cup has kicked off with host nation Russia opening the World Cup rehearsal tournament against New Zealand. (Dmitry Astakhov/Pool Photo via AP)
Beim Confed Cup 2017 konnte sich Russlands Präsident Putin mit Fußball-Legende Pele schmücken

Quelle: AP/IS

Doch das nicht nur von Sportfunktionären gerne bemühte Argument, politische Konflikte dürften nicht auf dem Rücken des Sports ausgetragen werden, zieht nicht. Längst werden sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele und internationale Fußballturniere nicht nur von kommerziellen Interessen beherrscht, sondern auch von autoritären Regimen zur politischen Imagepflege missbraucht.

In Sotschi befahl Putin die Annexion der Krim

Wie wenig aber Putin durch den Glanz, der auf ihn als honorigen Gastgeber des Weltsports fällt, politisch zu besänftigen ist, zeigt die Tatsache, dass er vor der Abschlussfeier in Sotschi die Annexion der Krim befahl.