Österreich beteilig sich nicht an Solidaritätsmaßnahme. SN/APA (DPA)/BRITTA PEDERSEN

Die westlichen Staaten haben Russland mit einer beispiellosen Ausweisungsaktion ihren Unmut über den Giftanschlag von Salisbury spüren lassen. Mehr als 20 Staaten – darunter die USA und die meisten EU-Mitglieder – forderten am Montag in einer koordinierten Aktion rund 110 russische Diplomaten zur Ausreise auf. Als einer von wenigen EU-Staaten stellte sich Österreich offen gegen diese Maßnahme.

Allein in den USA sind 60 Russen betroffen, es handelt sich nach Angaben der US-Regierung um die bisher umfangreichste Ausweisung russischer Diplomaten. Bis zum Abend ordneten mindestens 17 EU-Mitglieder Ausweisungen an, darunter etwa auch das traditionell russlandfreundliche Ungarn. Portugal und Malta begrüßten die konzertierte Aktion der EU-Partner, die Slowakei und Slowenien ließen sich eigene Schritte offen.

In Österreich erklärten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ): „Wir stehen hinter der Entscheidung, den EU-Botschafter aus Moskau zurückzurufen, werden aber keine nationalen Maßnahmen setzen.“ Man werde „keine Diplomaten ausweisen“, hieß es in einer der APA übermittelten gemeinsamen Stellungnahme.

Auch Norwegen, Albanien, Mazedonien, die Ukraine und Kanada wiesen russische Diplomaten aus. Die isländische Regierung kündigte einen Politikerboykott der Fußball-WM in Russland an. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte im bulgarischen Warna: „Zusätzliche Maßnahmen, darunter weitere Ausweisungen in den kommenden Tagen und Wochen, sind nicht ausgeschlossen.“ Kurz und Kneissl erklärten hingegen, Österreich wolle „die Gesprächskanäle nach Russland offenhalten“: „Österreich ist ein neutrales Land und sieht sich als Brückenbauer zwischen Ost und West.“

Das Außenministerium in Moskau sprach von einer „Provokation“ und kündigte Vergeltungsmaßnahmen an. Russland bestreitet jede Verantwortung für den Giftanschlag. Der Kreml erklärte: „Wir sagen es erneut: Russland hat nichts mit diesem Fall zu tun.“ Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, sagte, die USA hätten mit der Ausweisung „das Wenige zerstört, das von den russisch-amerikanischen Beziehungen übrig ist“.

Deutschland weist nach Angaben des Auswärtigen Amtes vier russische Diplomaten „aus Solidarität mit Großbritannien“ aus. Außenminister Heiko Maas (SPD) hob hervor, Moskau spiele bisher keine konstruktive Rolle bei der Aufklärung des Anschlags. Russlands Botschafter in Berlin, Sergej Natschajkew, zeigte sich „empört“ über die Ausweisungen und kündigte „Gegenmaßnahmen von russischer Seite“ an.

Auch Frankreich, Italien, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland sowie weitere EU-Staaten beteiligen sich an der abgestimmten Aktion. Die USA schließen auf Anweisung von Präsident Donald Trump auch das russische Konsulat in der Westküstenstadt Seattle.

Die Ukraine kündigte die Ausweisung von 13 russischen Diplomaten an. Präsident Petro Poroschenko rief die internationale Gemeinschaft auf, sich nicht nur auf „symbolische Gesten“ zu beschränken, sondern auch weitere Sanktionen zu verhängen.

Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich zufrieden über die Ausweisungen, zu der ihre Regierung die EU-Partner in der vergangenen Woche gedrängt hatte. „Zusammen haben wir die Botschaft gesendet, dass wir Russlands fortgesetzte Versuche, sich über internationales Recht hinwegzusetzen und unsere Werte zu unterminieren, nicht tolerieren“, sagte sie. London hatte bereits 23 russische Diplomaten ausgewiesen.

Der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März in der südenglischen Stadt Salisbury vergiftet worden. Die beiden befinden sich weiter im Koma im Krankenhaus, ihr Zustand wird von den Ärzten als ernst, aber stabil bezeichnet. London zufolge wurden beide mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet, das in der Sowjetunion entwickelt wurde. May sagte am Montag im Unterhaus, dass mehr als 130 Menschen dem verwendeten Nervengift ausgesetzt gewesen sein könnten.

 

https://www.sn.at/politik