Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die Pläne der Bundesregierung in puncto Mindestsicherung kritisiert. „Ich hoffe, das sind noch alles Wenn-Sätze. Wenn das alles wirklich passiert, haben wir ein echtes Problem“, meinte Van der Bellen auf die Frage, ob er die Kritik der Hilfsorganisationen, die Maßnahmen seien „integrationsfeindlich“, unterstütze.
„Müsste eigentlich andere Schwerpunkte setzen“
Die Vereinbarung der schwarz-blauen Koalition sieht die Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge vor beziehungsweise bindet diese teilweise an Deutschkenntnisse; subsidiär Schutzberechtigte und Asylwerber, die ja in der Grundversorgung sind, sind von der Mindestsicherung ausgeschlossen.
Man könne nicht „guten Gewissens die Deutschkurse reduzieren, beim Geld dann aber auf die Deutschkenntnisse Bedacht nehmen. Das widerspricht sich ja eindeutig“, betonte Van der Bellen am Mittwoch am Rande eines Besuches bei Amnesty International Österreich: „Wenn man Integration ernst nimmt – und das sollten wir in unserem eigenen Interesse tun, nicht nur in dem Interesse der Zuwanderer – dann, glaube ich, müsste man eigentlich einige andere Schwerpunkte setzen.“
Amnesty: Regierung verliert „Koordinatensystem der Menschenrechte aus den Augen“
Das Fundament der Menschenrechte beginne nicht nur weltweit, sondern auch in Österreich zu bröckeln, sagte die österreichische Amnesty-Geschäftsführerin Annemarie Schlack während des Besuches des Bundespräsidenten. Auch in Österreich gebe es „alarmierende Signale“.
Die Bundesregierung verliere in einigen Bereichen „das Koordinatensystem Menschenrechte aus den Augen – denken wir nur an die Strafrechtsreform, an die aktuellen Vorstöße bei der Mindestsicherung oder Überwachung“, meinte Schlack. Dieser negative Trend könne künftig auch Bereiche wie Gesundheit und Bildung betreffen.
„Was mich wirklich besorgt, ist ein evidenter Bedeutungsverlust von Menschenrechten in politischen Bereich“, berichtete auch Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt im Gespräch mit Van der Bellen. Ähnlich Schlack: Das Verständnis, dass es Menschenrechte braucht, sei „nicht mehr selbstverständlich“. Vor allem in den Nachbarländern Österreichs nehme Amnesty einen „Abwärtstrend“ wahr. Mit der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft Österreichs habe die Regierung besondere Verantwortung, den Schutz von Menschenrechtsverteidigern voranzutreiben und sicherzustellen, dass es Konsequenzen für jene gebe, die die Menschenrechte nicht einhalten, forderte Amnesty.
(APA)