Ludmilla (77) mit ihrer Katze in ihrer Küche des 150 Jahre alten Hauses in Samara
Foto: Christian Knieps

„Früher war ich Kaderleiterin in einem großen Agrarinstitut. Um meine Rente aufzubessern und um meine Tochter unterstützen zu können, gehe ich Böden schrubben. Das Haus, in dem ich wohne, ist 150 Jahre alt, ein typisches russisches Holzhaus. Es fällt langsam in sich zusammen. Es steht im Stadtzentrum von Samara und wurde noch nie repariert. Im Obergeschoss ist eine Kommunalka*. Der Ofen dort ist vor dem Winter durchgebrannt. Gekümmert hat es niemanden bei der Stadt, also bleibt er kaputt.

Ludmilla (77) mit ihrer Katze in ihrer Küche des 150 Jahre alten Hauses in SamaraFoto: Christian Knieps

Mein Mann starb vor sieben Jahren. Da hatte er schon zehn Jahre auf den versprochenen Abriss des Hauses gewartet – und die damit versprochene neue Wohnung. Jetzt soll es 2022 so weit sein. Ich hoffe, dass ich dann in eine bessere Wohnung komme, diese hier ist unerträglich.

Jetzt zur WM geschieht ja sehr viel in der Stadt, vieles wird wirklich schöner. Dort, wo die Touristen langkommen, wurde die große Straße neu gemacht. Hässliche Häuser oder Ruinen werden mit hübschen Planen und Transparenten oder künstlichen Wänden verdeckt, damit es besser aussieht für die Gäste.

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Die Politik hat das angeordnet und es sieht ja auch vieles schöner aus jetzt. Handwerker waren hier: Die haben ein paar Schrauben in die Haustür gedreht. Doch die waren zu lang und haben das Holz gespalten. Aber von außen ist das nicht zu sehen. Im Haus wird nichts gemacht, denn eigentlich ist Renovierungsstopp für die alten Häuser.

Aber auch bei uns in der Straße werden die kaputten Häuser noch schnell schön angemalt, damit man auch aus dem neuen Luxus-Hotel gegenüber einen besseren Blick hat. Pinselsanierung – so nennt man das, wenn nichts heil, aber vieles schöner wird.“

*Kommunalka: die sowjetische Zwangs-WG. Aus Platzmangel wurden fremde Menschen oder mehrere Familien von Amts wegen in eine Wohnung gepackt – teilten sich Küche und Bad. 

 

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