Ein Gefängnis in Wladimir. Was wohl hinter diesen Mauern geschieht? Foto: Imago/ITAR-Tass

Folter in russischer Haft

Ein Gefangener wird von Wärtern schwer misshandelt. Der Vorgang ist auf einem Video festgehalten. Einige der Schläger wurden festgenommen.

 

KIEW taz | Ein nackter, mit Handschellen gefesselter Mann, liegt in einer Gefängniszelle auf einem Tisch, sein Kopf wird von einem Wärter nach unten gedrückt. Während er von mehreren Wärtern festgehalten wird, wird er auf Russisch beleidigt.

Abwechselnd schlagen die uniformierten Mitarbeiter der Strafvollzugsanstalt mit Knüppeln auf die Fußsohlen des Mannes, der um Hilfe schreit und bittet damit aufzuhören. Zeitweise verliert er das Bewusstsein. Immer wieder schüttet einer der Umstehenden Wasser auf den Wehrlosen.

Innerhalb von wenigen Tagen ist das am Freitag von der russischen Zeitung Nowaja Gaseta veröffentlichte Video 1,5 Millionen mal angeklickt worden. 50.000 Menschen haben eine Petition gegen Gewalt in russischen Strafanstalten unterzeichnet. Die Staatsmacht musste reagieren. Von 18 Justizbeamten, die identifiziert werden konnten, wurden 17 vom Dienst suspendiert, sechs von ihnen festgenommen.

Dabei ist der Film nicht neu. Entstanden ist er am 29. Juni 2017 in der Besserungsanstalt Nr. 1 im Gebiet Jaroslaw. Gewöhnlich, so will es das russische Gesetz, werden die Filme der Überwachungskameras, die die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten in Russland immer bei sich tragen müssen, einen Monat nach ihrer Aufnahme gelöscht.

Vier Jahre wegen Schlägerei

Anwälten, die Vorwürfen von Misshandlungen nachgehen wollen, wird so die Möglichkeit genommen, diese mit Hilfe einer Videoaufzeichnung nachzuweisen. Die Bearbeitungszeit für derartige Anfragen dauert üblicherweise mindestens einen Monat.

Doch in dem Fall des Häftlings Jewgenij Makarow, der wegen Beteiligung an einer Schlägerei eine vierjährige Haftstrafe absitzt, war die Aufzeichnung der Misshandlungen der Anwältin Irina Birjukowa von der Nichtregierungsorganisation Das gesellschaftliche Urteil zugespielt worden. Sie hatte diese der Nowaja Gasetaweitergereicht.

Unter denen, die den Film schon ein Jahr kennen, ist auch der zuständige Ermittlungsbeamte, der 22-jährige Radion Swirskij. Doch er, so berichtet die Nowaja Gaseta, hatte darin keine unbegründete Gewaltanwendung gegenüber dem Gefangenen erkennen können.

Nach Bekanntwerden des Filmes hatte Anatolij Rudij, stellvertretender Leiter des russischen Strafvollzuges erklärt, Makarow habe die Mitarbeiter der Strafkolonie provoziert und 136-mal Vorschriften übertreten. Die Anwältin von Makarow, Irina Birjukowa, hat unter dem Druck von Drohungen vorübergehend Russland verlassen.

Mit einem Tuch erstickt

Der Fall Makarow ist nicht der einzige dieser Art im russischen Strafvollzug. Am Dienstag berichtet die Anwältin Irina Birjukowa auf ihrer Facebook-Seite von einem Gefangenen in Brjansk, dem ein Wärter ein nasses Tuch so fest um den Kopf gebunden hatte, dass er erstickte.

An diesem Mittwoch sollen die festgenommenen Mitarbeiter des Strafvollzugs einem Haftrichter vorgeführt werden.

 

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