Wer sind die Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind und sich hier ein neues Leben, fernab von Krieg und Verfolgung aufbauen? Immer mehr von ihnen schaffen es, hier Fuß zu fassen. Wir stellen sie in der Reihe „Ich lebe und arbeite in Österreich“ vor. Heute: Habib Nazari, 53, afghanischer Pass.

Ankunft auf Raten

Habib Nazari lebt seit 2001 in Österreich. „Die ersten paar Jahre nach meiner Ankunft in Österreich hab ich in der Steiermark gelebt. Damals mit einem dreijährigen Aufenthaltstitel. Als ich das verlängern wollte, hieß es, ich bekomme keines mehr, ich solle zurück nach Afghanistan, da das Land ja sicher wäre“ erzählt er. Habib Nazari hat sich danach erneut um einen Aufenthaltstitel bemüht, das Interview dazu hatte er 2008. Im Jahr darauf, 2009 bekam er – nach acht Jahren Aufenthalt in Österreich – letztendlich Asyl. Im gleichen Jahr konnte er seine Frau und seine drei Kinder nachholen. Endlich war die Familie nach langen Jahren der Trennung wieder vereint. Die beiden Söhne arbeiten mittlerweile. Die Tochter, auf die Herr Nazari besonders stolz ist, hat dieses Jahr maturiert und beginnt in Kürze mit ihrem Studium.

Kinder wollen etwas werden

„An den Kindern sieht man, dass wir keine schlechten Menschen sind“, sagt er. „Sie wollen arbeiten, ein normales Leben aufbauen, etwas werden“, damit meint Herr Nazari nicht nur seine eigenen drei Kinder, sondern auch die anderen jungen Hazara die hier in Österreich leben. „In den Medien geht es meist nur um ein paar Afghanen, die für unseren schlechten Ruf sorgen, was ist mit den Leuten, die lernen und machen und tun und sich bemühen? Nie gehen die Medien in die Berufsschulen und schauen sich an was die jungen Afghanen, die sich bemühen, brav sind und alles leisten. Das ist nicht fair.“

Ausbildung als Fotograf

Herr Nazari hat als junger Mann einige Jahre im Iran und in Pakistan gelebt, dort konnte er eine Ausbildung als Fotograf und als Fotografjournalist absolvieren. Im Iran hat er dann auch drei Jahre als Fotojournalist gearbeitet. Die Zeit damals im Iran war nicht einfach, erzählt er, aber das sei alles nichts im Vergleich zu dem, wie die Situation heute für afghanische Flüchtlinge im Iran ist. „Die Deportationen haben sehr zugenommen“, erzählt er, „bis zu 4000 Menschen pro Tag müssen zurück nach Afghanistan. Auch meine Mutter musste vor vier Monaten aus dem Iran zurück nach Afghanistan. Und dort, was sollen die Menschen dort? Es gibt keine Arbeit und andauernde Lebensbedrohung.“

Leidenschaft für Bilder

Mit der Kamera tätig zu sein ist bis heute seine große Leidenschaft. „Es gab zwei Ausstellungen mit meinen Arbeiten, eine davon im koreanischen Kulturhaus. Dieses Jahr gab es noch keine. Geplant ist eine zur ‚Langen Nacht der Flucht‘“, erzählt er lächelnd. „Am liebsten fotografiere ich die Natur und Menschen, da kann man auch neue Menschen kennenlernen. Das ist eine soziale Angelegenheit, so lerne ich dann auch die Kultur der Menschen besserkennen.“ Herrn Nazaris Leidenschaft für Bilder passt auch gut zu seinem Brotjob in der Österreichischen Galerie im Belvedere, wo er seit 2010 als Arbeiter beschäftigt ist und hin und wieder sein Hobby zum Beruf machen kann.

Beim Anpacken rasch zur Stelle

Bevor er zum Belvedere gekommen ist, hat er im Lugner City Kino gearbeitet und davor war er bei einer Reinigungsfirma beschäftigt, weil sein Deutsch damals noch nicht so gut war, erzählt er. Hier in Österreich hat Herr Nazari nach seiner Ankunft auch eine Gärtnerausbildung absolviert und gelernt, wie man Biodiesel produziert. Er gehört zu den Menschen die sich für keine Arbeit zu schade sind. Wenn es ums Anpacken geht, ist er auch rasch zur Stelle. „Am Anfang hab ich im 21er Haus auf dem Gelände des Belvederes gearbeitet“, erzählt er, „dort war das Schwerarbeit, die ich aber gar nicht als so schwer empfunden hab. Ich mag es sehr, wenn man körperlich ordentlich arbeiten kann.“

Arbeit ist Leben

„Was Arbeit für mich ist? Arbeit ist Leben. Ohne sie können wir nicht existieren, man ist beschäftigt. Wenn man nicht arbeitet, verliert man den Kontakt zur Wirklichkeit und man kommt vielleicht auf blöde Gedanken. Arbeit ist wichtig, nicht nur wegen der Pension.“

Der ideale Job

„Das ist natürlich die Fotografie“, lächelt er. „Aber es funktioniert leider nicht hier in Österreich, dass ich das hauptberuflich mache. Die Konkurrenz ist zu groß.“ Ob er künstlerisch fotografiert oder als Fotojournalist arbeitet ist ihm eigentlich egal, sagt er lächelnd, „Hauptsache fotografieren.“

Umeinander kümmern

Für sich wünscht er sich Gesundheit und ein ruhiges Leben. Für die Hazara in Österreich wünscht er sich Schutz, „Ich weiß nicht woher der kommen soll, aber wir brauchen Schutz. Im Durchschnitt sterben pro Tag 20 Angehörige der Minderheit der Hazara in Afghanistan. Das muss man sich vorstellen!“ Und dann wünscht er sich noch, dass die Menschen sich wieder mehr umeinander kümmern und nicht nur darum, wie viel Geld sie verdienen können. „Es kann nicht sein, dass das Geld wichtiger ist als die Menschen, oder?“

 

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