Die britische Regierung hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich für den Giftanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal verantwortlich gemacht.

Die Verantwortung liege „letzten Endes“ bei Putin, weil er der Präsident des Landes ist und seine Regierung „den Militärgeheimdienst kontrolliert, finanziert und steuert“, sagte der britische Staatssekretär für Sicherheitsfragen, Ben Wallace, am Donnerstag in der BBC.

Der russische Geheimdienst arbeite nicht auf eigene Faust, argumentierte Wallace. Die Verbindungen des Dienstes reichten über das Verteidigungsministerium und den Generalstab „bis in den Kreml und das Büro des Präsidenten“.

Fahndungsfotos und Namen veröffentlicht

Am Vortag war bekannt geworden, dass die britische Polizei zwei Mitarbeiter von Russlands Militärgeheimdienst per internationalem Haftbefehl sucht. Fahndungsfotos und Namen von den Verdächtigen wurden veröffentlicht.

Gesucht werden Alexander Petrow und Ruslan Boschirow. Die britische Polizei geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nicht um die echten Namen der beiden Männer handelt.

„Wir haben jetzt ausreichend Beweise, um Anklagen im Zusammenhang mit dem Angriff auf Sergej und Julia Skripal zu erheben“, sagte der Chef der britischen Anti-Terror-Polizei, Neil Basu. Die Verdächtigen seien etwa 40 Jahre alt. Scotland Yard bat die Bevölkerung um Hinweise.

Theresa May wirft Russland Lügen vor

Die Männer seien Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes GRU und hätten bei dem Giftanschlag höchstwahrscheinlich im Auftrag der russischen Regierung gehandelt, sagte Premierministerin Theresa May am Mittwoch im Parlament.

„Das war keine nichtautorisierte Operation. Sie war so gut wie sicher außerhalb des GRU von höherer Stelle im russischen Staat abgesegnet“, sagte die Regierungschefin in London. Moskau warf sie „Verschleierung und Lügen“ vor.

Das russische Außenministerium wies alle Vorwürfe umgehend zurück. „Die in den Medien veröffentlichten Namen und Bilder sagen uns nichts“, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa der Agentur Tass zufolge in Moskau.

London solle nicht die Öffentlichkeit manipulieren, sondern bei der Aufklärung mit Russland kooperieren. Die regierung sprach von einer „Provokation“.

Russland will nach den zwei mutmaßlichen Verdächtigen nur nach einer offiziellen Anfrage aus Großbritannien suchen. Man könne nur juristische Schritte einleiten, wenn bei den Ermittlungen Moskau nach bilateralen und internationalen Regeln eingebunden werde, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in der russischen Hauptstadt. Erst dann könnte Russland aktiv werden, sagte er der Agentur Tass zufolge.

Gefährliche Körperverletzung und versuchter Mord

Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März in der südenglischen Stadt Salisbury bewusstlos auf einer Parkbank entdeckt worden. Sie waren mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Beide entkamen nur knapp dem Tod. Sie leben inzwischen an einem geheimen Ort.

Minutiös zeichneten die Ermittler nun den Weg der beiden Verdächtigen nach Salisbury nach – sie hatten dafür etwa 11.000 Stunden an Videoaufnahmen ausgewertet. Auch in der Nähe des Wohnhauses von Sergej Skripal hatten sich die Männer demnach aufgehalten. Die Polizei geht davon, dass sie das Gift auf die Türklinke aufbrachten.

Beiden wird versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und der Besitz des chemischen Kampfstoffs Nowitschok vorgeworfen, wie die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte.

Nowitschok gehört zu den tödlichsten Kampfstoffen und kann über die Haut oder Atemwege in den Körper gelangen. Die Überlebenschancen sind sehr gering. Sowjetische Forscher entwickelten die Serie neuartiger Nervengifte in den 1970er und 80er Jahren heimlich, um internationale Verbote zu umgehen. Auch andere Länder forschten damit.

 

(ff/afp/dpa)