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Michelle Bachelet will UN-Teams nach Österreich schicken.

Die neue Menschenrechtskommissarin kritisiert in ihrer Antrittsrede auch Italien und Deutschland. Kurz reagiert gelassen, Salvini ungehalten.

Genf/Wien – Bereits zu Beginn ihrer Antrittsrede stellte die neue UN-Menschenrechtskommissarin klar, wer sie ist: Michelle Bachelet beschrieb sich am Montag in Genf zuallererst als ehemalige politische Gefangene und Tochter politischer Gefangener. „Ich war ein Flüchtling und eine Ärztin“, fügte sie hinzu: „Auch für Kinder, die gefoltert und deren Eltern verschleppt wurden.“ Erst zum Schluss erwähnte die 66-Jährige, dass sie zwei Amtszeiten lang die Präsidentin ihres Heimatlandes Chile war.

Damit stellte sie zu Beginn klar, worauf sich das UN-Menschenrechtskommissariat unter ihrer Leitung konzentrieren werde, und holte gleichzeitig zu einem Rundumschlag gegen einige Regierungen aus: Die Internierung von Migranten durch die australische Regierung auf vorgelagerten Inseln nannte Bachelet einen „Affront für den Schutz der Menschenrechte“. Die USA kritisierte die Menschenrechtskommissarin dafür, dass an der Grenze getrennte Familien nicht wieder zusammengeführt wurden und Betroffene von den Behörden nicht entschädigt wurden.

Weitreichende Kritik

Für Aufregung sorgte Bachelet mit der Ankündigung, dass sie UN-Beamte nach Österreich und Italien schicken will, um den Schutz von Migranten in den Ländern zu untersuchen. Der Grund dafür sei in Italien der starke Anstieg von Gewalt und Rassismus gegen Migranten, Menschen mit afrikanischer Abstammung und Roma. Wieso die UN-Teams konkret nach Österreich geschickt werden, ließ Bachelet offen. Die Passage über die geplanten Prüfungen fanden sich nur in der online abrufbaren Niederschrift der Rede, vorgetragen wurden sie von Bachelet in Genf nicht.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz begrüßte die Überprüfung via Aussendung: „Es wird rasch klar werden, dass unser Sozialstaat so ausgeprägt ist und die Lebensbedingungen für Migranten so gut sind wie in kaum einem anderen Land der Welt“.

Italiens Innenminister Matteo Salvini will sich laut Nachrichtenagentur Ansa von der Uno „keine Lektionen erteilen lassen“. Ihm zufolge „weist die Polizei Berichte zurück, dass es einen Rassismus-Notfall“ im Land gebe.

Gegen Mauern

Bachelet zeigte sich auch besorgt über „ausländerfeindliche Hassreden in Deutschland“. Generell forderte sie ein Umdenken; „Es ist im Interesse aller Staaten, eine Migrationspolitik zu verfolgen, die sich an der Realität orientiert – und nicht an Panik.

“ Eine solche Migrationspolitik müsse Möglichkeiten für eine sichere und reguläre Überfahrt beinhalten, statt Menschen auf eine Flucht voller tödlicher Risiken zu schicken. Mauern aufzustellen, Angst und Schrecken zu erzeugen und Flüchtlingen ihre fundamentalen Rechte zu versagen seien keine langfristigen Lösungen. „Das erzeugt nur mehr Feindseligkeit, Not, Leiden und Chaos.

“ Frontex zur „EU-Grenzpolizei“ 

Am Montag gelangte zudem ein internes Kommissionspapier an die Öffentlichkeit, wonach die EU-Grenzschutzagentur Frontex zu einer „EU-Grenzpolizei“ ausgebaut werden soll. Das Ö1-Mittagsjournal berichtete darüber. Österreich soll dabei bis Juli 2019 mehr als 200 Beamte bereitstellen.

Positiv erwähnte Bachelet allerdings, dass die Europäische Kommission Libyen als nichtsicheres Land eingestuft hat: „Migranten sind in Libyen von Mord, Freiheitsentzug, Folter, sexueller Gewalt, Zwangsarbeit, Erpressung und Ausbeutung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt.“ (

Bianca Blei, 10.9.2018)

derstandard.at