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Initiative Pro Asyl Sulzberg kämpft für armenisch-iranische Familie.

Bei der Abschiebung einer armenisch-iranischen Familie aus dem Bregenzerwald trennte die Behörde einen kleinen Buben von seiner schwangeren Mutter

Bregenz – Sonntagmorgen im Landeskrankenhaus Bregenz. Ein kleiner Bub spielt im Wartebereich der Entbindungsstation. Der Automat mit den bunten Spielzeugkugeln hat es ihm angetan. „Welche Farbe hat den die Kugel?“, fragt die junge Frau, die mit ihm wartet. „Gelb!“ „Und die hier ist blau, gell?“ „Nein“, sagt der Knirps bestimmt, „die ist dunkelblau.“ Ein bisschen lang wurde für ihn die Warterei, deshalb wollte er ja raus aus der Entbindungsstation, hin zu den bunten Kugeln. Das Vergnügen währte nur kurz, wieder hereinkommen, wird ihm und seiner Betreuerin beschieden. Auf die Frage nach dem Warum erhält er keine Antwort.

Der Kleine wartet nicht auf ein Geschwisterchen, wie man meinen könnte. Er heißt Anri, ist drei Jahre alt und ist ein Häftling, seine Betreuerin eine Mitarbeiterin des BFA. Auf der Entbindungsstation liegt seine Mama, im fünften Monat schwanger. Die 32-jährige Armenierin wurde wegen einer drohenden Frühgeburt eingeliefert. Nun wird sie überwacht, nicht nur mit Geräten. Polizeibeamte stehen vor dem Kreißsaal, müssen sie und ihren aus dem Iran stammenden Mann bewachen.

Die kleine Familie wurde am Sonntagmorgen um fünf Uhr aus ihrer Wohnung in Sulzberg (Bregenzerwald) abgeholt, sollte abgeschoben werden. Der Stress löste bei der schwangeren Frau eine gesundheitliche Krise aus. Die Frau sei gynäkologisch gesund, es sei aber zu Komplikationen wegen der Stresssituation gekommen, sagte Sicherheitslandesrat Christian Gantner (VP) auf Nachfrage des STANDARD. Ihr Kind und ihr Mann würden nach Wien gebracht.

Ein barbarischer und rechtswidriger Akt 

Was am Sonntagmittag auch geschah. Azat P. wurde mit seinem kleinen Sohn an der Hand von der Polizei aus dem Krankenhaus gebracht. Die Initiative Pro Asyl aus Sulzberg kam zu spät. „Wir konnten uns nicht einmal verabschieden“, sagt Erwin Steurer, Flüchtlingsbeauftragter der Gemeinde, der mit rund 30 Freundinnen und Freunden der Familie ins Krankenhaus gefahren war. Rechtsanwalt Ludwig Weh, der den Abtransport nicht verhindern konnte, hält „die Festnahme eines dreijährigen Kindes und die Trennung von seiner Mutter für einen barbarischen Akt.“

Die Festnahme sei zudem rechtswidrig: Die Familie, deren Asylantrag letztinstanzlich abgelehnt wurde, hätte bis 1. November Zeit zur freiwilligen Ausreise gehabt. Er habe das auch telefonisch der Regionaldirektion des BFA mitgeteilt, sagte Weh. “ Der Regionaldirektor sagte mir, er übernehme dafür die Haftung.“ Weh will nun für die schwangere Frau eine Fristverlängerung erreichen.

Familie voll integriert

Was Erwin Steurer und der Initiative Pro Asyl so gar nicht in den Kopf gehen will: „Arpine und Azat leben seit fast fünf Jahren hier, sie sind voll integriert, im Kirchenchor, in der Liturgiegruppe, in der Tanzgruppe. Azat macht Gemeinwesenarbeit im Rahmen der Integrationstätigkeit.“ Anri, der kleine Sohn der beiden, kam vor drei Jahren hier auf die Welt. „Der ist ein richtiger Sulzberger.“

Weh und die Unterstützer aus Sulzberg sind sich einig: „Es ist mit der Menschenrechtskonvention absolut unvereinbar, ein dreijähriges Kind von seiner Mutter zu trennen.“

Einen ersten Abschiebeversuch verhinderte die Initiative und erreichte aufschiebende Wirkung für ein Jahr.

Jutta Berger, 28.10.2018

 

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