Dieser Artikel ist eine Übersetzung des Interviews von Vera Goncharova, um  die Frage zu diskutieren, ob es eine Sonderbehandlung insgesamt für Muslime sowie im spezifischen für Tschetschenen in der russischen Föderation gibt. 

Die Anwältin von »Russland sitzt« Vera Goncharova vertritt die Interessen der Kaukasier, die ihre Strafe in den russischen Kolonien verbüßen. In einem Interview erklärte sie, warum die autochthone Bevölkerung des Nordkaukasus-Distrikts es schwerer hat als andere.

– Ist der Glaube von Vorurteile gegenüber Kaukasiern in russischen Strafvollzugsanstalten mehr Mythos oder doch eine Realität?

– Die Einstellung zu Tschetschenen und allgemein zu den Kaukasiern in den russischen Kolonien scheint mir voreingenommen zu sein. Viele Menschen erzählten von Gewaltanwendung, einige wandten sich sogar an Strafverfolgungsbehörden.

Über die Misshandlung in IK-7 (Omsk Region) sprach der aus Tschetschenien stammende Malho Bisultanov. Gemäß seiner Erklärung wurden Inspektionen durchgeführt und mehrfach entschieden, die Einleitung eines Strafverfahrens abzulehnen. Selbes berichtet Mukhtar Aliyev, der im selben IK-7 eine Strafe verbüßt. Auch der Tschetschenische Apti Akiyev wurde in der Untersuchungshaftanstalt 1 und in IK-6 (Omsk) schikaniert.

Es gibt neben Tschetschenen auch andere Gefangene wie Awaren und Aserbaidschaner, welcher Folter und unmenschlicher Behandlung unterzogen wurden und deren Namen aus verschiedenen Gründen nicht genannt werden können. Einige von ihnen wandten sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, jemand schrieb sogar auf eigenes Risiko an den Generalstaatsanwalt, den Kommissar für Menschenrechte … Jemand wartet auf seine Freilassung und plant, darüber zu sprechen, was mit ihm geschah.

– Es gibt die Meinung, dass sich viele Wärter an den tschetschenischen Kriegen beteiligt haben und auf diese Weise Rache nehmen.

– Vielleicht ist etwas Wahres daran. Es ist möglich, dass Kaukasier aufgrund ihrer Mentalität der »besondere« Behandlung unterzogen werden. Unter »Korrektur« [bei Kaukasier] wird im russischen Strafvollzugssystem die Vollstreckung von Bestrafungen, ständige Demütigung und Unterdrückung des Willens verstanden. Tschetschenen sind sehr schwer zu brechen … Mir scheint, dass die FSIN-Offiziere solche stolzen, festen und prinzipiellen Männer fürchten.

– Was ist mit der Religionsfreiheit in Gefängnissen?

– In einer Anstalt ist es verboten, unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen zu beten, und in einer anderen müssen sie Schweinefleisch essen. Sie können keine Gebetsmatte in einer Kolonie haben. Nicht überall gibt es einen Gebetsraum (oder es ist unmöglich, eine Erlaubnis zu erhalten). Ein Imam kommt nicht.

Aufgrund von Beschwerden aus dem Omsk-Gebiet habe ich mich an die FSIN Russlands und an die Staatsanwaltschaft gewandt. Aus den Antworten geht hervor, dass derzeit keine Vereinbarung zwischen dem regionalen UFSIN und einer registrierten muslimischen Organisation besteht. Erst nach meinen Appellen erlaubten sie ihnen, zu beten. Im Gegenzug schlugen die Behörden vor, dass alle schreiben, dass ihr Recht auf Religionsfreiheit nicht verletzt wurde. Aber der Imam ist nie [ins Gefängnis] gekommen.

– Vor einiger Zeit schlug Ramsan Kadyrow vor, tschetschenische Gefangene in ihre Heimat zu verlegen. Ist dies eine gute Idee Ihrer Meinung nach?

– Es ist wichtig, dass die verurteilte Person ihre Haftstrafe nicht zu weit von ihren Angehörigen verbüßt. Verurteilte, die in entlegene, im Norden gelegene Regionen Russlands geschickt wurden, haben Probleme mit dem Klima, an das sie nicht gewöhnt sind. Vor allem aber werden sie der Möglichkeit beraubt ihre Angehörigen sehen zu können.

Die Mutter eines Häftlings (Bsp. eine ältere Frau) kann nicht Tausende Kilometer weit reisen. Dies bedeutet neben einer physischen auch eine finanzielle Belastung für die Familie. Ältere Eltern wenden sich oft an die FPS und bitten darum, dass ihr Sohn näher an der Heimat die Haftstrafe verbüßen kann. Sie legen [pflichtbewusst] Unterlagen über Alter, Gesundheit, Behinderung, finanzielle Situation usw. vor, jedoch wird in fast allen Fällen eine Absage erteilt.

– Gibt es unter Ihren Mandanten die gerade im Gefängnis sind welche, die in großer Gefahr schweben?

– Ich fürchte um Mukhtar Aliyev, der im IK-7 von Omsk eine Strafe verbüßt. Neulich erhielt ich einen Brief von ihm: »Sie werden mich hier sicher töten, davon bin ich absolut überzeugt. Stets sagen Sie mir sie, einer Leiche mehr oder weniger sei für sie egal.«

Das Schicksal von Ruslan Suleymanov sorgt mich auch, er befindet sich in einer kleinen Stadt Dagestan unter administrativer Aufsicht. Angesichts der Schwierigkeiten, die sich nach seinen öffentlichen Aussagen über Folter ergeben haben, denke ich, dass er sehr gefährdet ist.

Die Öffentlichkeit muss ständig daran erinnert werden, was in russischen Gefängnissen geschieht. Es scheint vielen, dass es nur gefährliche Verbrecher gibt … Sie glauben, dass das Gefängnis sie oder ihre Angehörigen niemals berühren wird, und alle Schrecken der Folter sind entweder isoliert oder von Menschenrechtsaktivisten erfunden worden. Aber die Realität in Russland sieht anders aus.

Tschetschenen zerschnitten ihre Bäuche.

Die Gefangenen der Kolonie in Mordwinien verletzten sich aus Protest. Das FSIN bestreitet jeden Druck auf die Gefangenen aber Angehörige von Gefangenen aus Tschetschenien, die in der staatlichen Einrichtung »Justizvollzugskolonie Nr. 5 des Bundesstrafvollzugs für die Vollstreckung von Strafen in der Republik Mordwinien« tätig sind, berichten von Schikanierung und Folterung der Gefangenen. Ihnen zufolge sind in IK-5, das von Valery Trofimov angeführt wird, illegale Behandlungsmethoden von Verurteilten alltäglich geworden. Dies ist eine strikte «Regierungskolonie», in der verurteilte ehemalige Angestellte von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden untergebracht werden.

Ibragim Vachayev, ein Einwohner des Dorfes Komsomolskoe im Bezirk Gudermes in Tschetschenien, sagte, dass sich sein Bruder Idris Anfang März zusammen mit zwei weiteren Häftlingen unter der Androhung von Vergewaltigung sich selbst verstümmelt hätten.

Sie wurden nicht medizinisch versorgt und die Gangrän (Verwesung aufgrund von Wundbrand) begann bei den Männern. Um den Opfern zu helfen, verstümmelten sich sieben weitere Gefangene selbst. Daraufhin wurden alle zehn mit durchbohrten Bäuchen ins Krankenhaus gebracht aber die Angaben zu den Verletzten verschleiert. Unterschiedliche Angaben über die Anzahl wurden verlautet.

Kheda Saratova sagte, dass sie mit einem Arzt sprach, der Gefangene angenommen hatte. Der Arzt versicherte ihr, dass der Zustand der Opfer stabil sei und »sie lächeln«.

Als die Informationen über die Grenzen des Gefägnis hinausgingen und Journalisten darüber berichteten erhielten die Gefangenen eine prompte Antwort. Am 20. März wurden Berichten zufolge alle Beschwerdeführer schwer geschlagen und den Häftlinge wieder den Magen geöffnet. Ab dem 22. März wurde ihnen keine medizinische Hilfe gewährt.
Der Korrespondent von «Kaukasische Realität» bat um eine Stellungnahme durch die FPS Mordwinien über Zwischenfälle mit Rissen der Mägen. Das Büro in der Korrespondenz bestätigte nur den ersten Vorfall und nur für acht Gefangene.

»Am 5. März 2018 begingen acht Verurteilte, die in der ShIZO (Strafzelle) und im PCT (Zellraum) IK-5 des Bundesgefängnisses der Russischen Föderation in der Republik Mordowien festgehalten wurden, Selbstverstümmelung. Nach Angaben des Pressedienstes unternahmen sie diesen Schritt und protestierten gegen die Behandlung durch die Verwaltung der Einrichtung.«

In dem Brief heißt es weiter, dass die Verurteilten rechtzeitig medizinische Hilfe erhielten und ihr Leben sicher sei. »Die oben genannten Personen haben ihre Handlungen in einer demonstrativ erpresserischen Form begangen, um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen – das Strafregime zu lockern. Es ist erwähnenswert, dass die oben genannten Verurteilten alle als bösartige Übertreter des Strafregimes anerkannt sind« schreibt die FPS.

In dem Bericht heißt es auch, dass am 20. März ein Runden Tisch im Islamischen Kulturzentrum von Mordwinien mit Beteiligung der PMC (Public Monitoring Commission) der Republik Mordwinien und des PMC der Tschetschenischen Republik stattfand. »Während des Treffens wurden verschiedene Themen erörtert, darunter auch die Frage der Verbüßung von Strafgefangenen aus dem Nordkaukasus in den Kolonien von Mordowien« wird berichtet.

Wie der Menschenrechtsrat unter der Leitung der Tschetschenischen Republik mitteilte, gestatteten FSIN-Beamte der Kommission jedoch nicht, die Strafkolonie IK-5 zu besuchen. So konnten Mitglieder des PMC den Zustand der Gefangenen nicht überprüfen.

»Mein Bruder sitzt seit fast drei Jahren in BUR (eine Kolonie eines verstärkten Regimes) in einer Strafzelle und wird ständig gemobbt. Ich war vor fast zwei Jahren zum letzten Mal auf einem Termin, dann erhielt ich keine Auskunft mehr Es sind noch ein Jahr und drei Monate, welche er verbüßen muss. In Tschetschenien warten seine Frau und vier minderjährige Kinder auf ihn.« beschwert sich Ibrahim Vachayev.

Verwandte von Vachayev wandten sich wiederholt an den Bundesgefängnisdienst und die Staatsanwaltschaft und forderten die Verlegung des Gefangenen in die Nähe. Sie wurden jedoch mit dem Argument abgelehnt, dass Idris Vachaev von 1989 bis 1991 im Innenministerium der UdSSR gedient habe. Daher könne er laut Gesetz nur in speziellen Einrichtungen für ehemalige Angestellte von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden. Und in Tschetschenien fehlen solche Institutionen.

Saikhat, die Mutter des 27-jährigen Idris Ayubov, eines weiteren Gefangenen, IK-5, der ebenfalls in Tschetschenien lebt, sagt, dass sie ihren Sohn in den vier Jahren, die er in der Kolonie verbrachte, nie treffen durfte.

»Der Leiter der Kolonie Trofimov gibt keinen Frieden. Unseren Kindern drohte er mit Vergewaltigung. … Sie haben meinen Sohn gebrochen. Der Wächter kam zu ihm und sagte, mit dieser Hand hast du eine Klage unterschrieben? Daraufhin brach klemmte er die Hand so hart in einer Eisentür ein, dass der Arm gebrochen war. Er wurde geschlagen, sein Urin war nur noch Blut und er lag lange im Krankenhaus.«

Der in Tschetschenien lebende Abubukar Bisinayev, sass selbst vor nicht allzu langer Zeit in der Kolonie in Mordwinien. »Ich saß dort in IK-5. Der Chef der Kolonie Trofimov, schlug mich mehrmals persönlich. Weil ich Beschwerden geschrieben habe und die Briefe wirksam wurden. … Diejenigen, die Beschwerden einreichen, werden ständig in Isolationshaft gesteckt und die Haftstrafe verlängert. Wenn Menschenrechtsaktivisten in die Kolonie kommen, werden alle, die sich beschwert haben, irgendwo im Krankenhaus oder in einem PCT-Raum versteckt, und dein Ausweis wird an einen anderen Gefangenen gehängt. Dieser lügt natürlich zu der Kommission, er hätte sich nie beschwert. Alles ein Art Rollenspiel, aber ich weiß [durch Kontakte] das es mindestens zehn Gefangene sind, welche im IK-5 mit aufgeschnitten Mägen liegen«, sagte Bisinayev.

«Piercing»

Der Gefangen wird solange unter Druck gesetzt, bis er sich selbst verletzt. Als Werkzeug kann ein Bolzenschneider oder ein stumpfes Küchenmesser zur Verfügung gestellt werden, wenn keines vorhanden, lässt man den Gefangen sich selbst an Eisenstangen stoßen, sodass die Verletzung als Suizidversuch gewertet werden kann.

«Akzeptanz»

Jeder Neuankömmling rennt an den Wächtern vorbei, die ihn mit Schlagstöcken schlagen, bis die Person zusammenbricht. Nachdem alle, die genügend «lange» hergekommen sind, mit dem Kopf nach unten liegen und den Platz mit ihrem Blut beflecken, werden sie zur Einweisung in die Räumlichkeiten gebracht.

Schläge

Eine der häufigsten und unoriginellsten Foltermethoden, an der oft ein Dutzend aus dem Stab beteiligt sind, sowie «Aktivisten» – Gefangene die freiwillig für die Verwaltung arbeiten. Um Blutergüsse und Blutergüsse zu vermeiden, wird das Schlagwerkzeug mit einem weichen Tuch umwickelt – zum Beispiel mit einem Pullover oder einer Steppjacke, welche die Rekruten im Winter tragen.

Streik oder Paket

Jedes Seil, Gürtel oder Gummiband kann ein Glückspilz sein, der meistens nicht unabhängig, sondern mit einem auf den Kopf des Rekruten gelegten Paket benutzt wird. Manchmal, um die Wirkung in der Verpackung zu verbessern, wird das Paket mit Pfefferspray bestreut. Wenn ein Soldat an Erstickung stirbt, ist sein Tod nicht schwer als Selbstmord zu deklarieren.

«Kaukasische Suspendierung»

Die Hände werden hinter dem Rücken gefesselt, dann werden die Handschellen am Kameragitter befestigt, damit die Füße den Boden nicht berühren. Um sicherzustellen, dass die Handschellen keine Spuren an den Handgelenken hinterlassen, werden die Hände mit einem weichen Tuch umwickelt. In dieser Situation kann der Gefangene mehrere Tage gehalten werden. Die «Suspension» verursacht schreckliche Schmerzen in den Handgelenken, zusätzlich sind Ellenbogengelenke verdreht, und Sie fühlen einen wilden Schmerz im Rücken.

«Taucher»

Der Häftling lässt den Kopf in einen Eimer Wasser sinken oder in die Toilette – bis die Person zu ersticken beginnt. In der Kopeyskaya IK-1, zwang das Verwaltungspersonal die «Taucher» zuerst nackt auszuziehen und so auf allen vieren von der ersten Etage bis zur zweiten – wo sich die Toiletten befinden – zu kriechen, bevor sie diese mit ihren Köpfen in die Toilette eintauchten.

Die Kreuzigung

Die Hände und Füße werden auf die maximale Breite gestreckt und mit Handschellen oder Seil am Gitter befestigt. Selbst eine Stunde in dieser Position verursacht Schmerzen in den Gelenken, und nach einem Tag kann die Person für lange Zeit nicht gehen, seine Arme beugen und Beine biegen. Ziemlich oft wird eine solche «Suspension» von Schlägen und sexueller Gewalt begleitet.
«Hozraboty»

Zwang zur Reinigung von Wohnräumen, Gemeinschaftsräumen und Toiletten mit Zahnbürsten. Diese Methode wird häufig bei Kadetten mit Krankheiten angewandt: So kann beispielsweise ein Gefangener mit Tuberkulose auf die Straße geschleudert werden, um im Regen einen sauberen Hof zu fegen.

Vergewaltigung

Nach dem Winterschlaf kamen die Älteren aus dem «Aktiva» ohne Begleitung der Wachen in die Zelle, in der ich gefangen gehalten wurde, packten mich und führten mich in eine andere Zelle, wo ich auf den Tisch gelegt wurde. Arme und Beine wurden an die Tischbeine gefesselt, «verurteilte Aktivisten» stemmten etwas in meinen Anus, aus dem ich unerträgliche Schmerzen und Leiden verspürte – ich hatte starke Blutungen: berichtet einer der ehemaligen Inhaftierten der 47 Kamensk-Ural. Bei Vergewaltigung werden häufig improvisierte Gegenstände verwendet: Flaschen, Stuhlbeine, Keulen.

Der Joker

Die Wange aus dem Mundwinkel brechen, nicht unbedingt mit einem Messer oder einem anderen spitzen Gegenstand, sondern einfach mit der Anstrengung der Hände. Teils wird dies mit Kochendem Wasser kombiniert dh. Heißes Wasser aus dem Kessel wird dem Gefangenen in den Mund geleert

«Fallschirmspringer»

Der Häftling wird in eine Zelle mit Ältesten gebracht, die für die Verwaltung arbeiten, die ihn schlagen, ihn zwingen, sich auf den Boden zu legen und dann auf das «Liegerad» aus der zweiten Etage des Bettes springen.

«Waschen»

Mit Hilfe eines Einlaufs wird dem Gefangenen bis zu fünf Liter kaltes Wasser in den Mastdarm gegossen, um angeblich zu verhindern, dass die Neulinge verbotenen Gegenstände ins Gefängnis mitbringen.

Folter durch Musik

Kann bei Häftlingen mit instabiler Psyche angewendet werden: Eine Person wird in Isolationshaft platziert und laute Musik abgespielt, welche das Schlafen behindert oder in einer endlosen Schleife dasselbe Lied ständig wiederholt wird.