Schubhaft ist grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie dient zwar offiziell der Sicherung der Abschiebung, wird jedoch sehr oft unverhältnismäßig verhängt, selbst wenn klar ist, dass eine Abschiebung nicht durchführbar ist. In den vergangenen zehn Jahren starben mindestens vier Menschen in Wiener Abschiebegefängnissen.

Seit langem steht die Verhängung von Schubhaft in der Kritik. Insbesondere der unverhältnismäßige Vollzug wird in Frage gestellt. Die Haftdauer ist viel zu lange und den Gefangenen stehen kaum Rechtsmittel zur Verfügung. Sie sind der Willkür der Polizei ausgeliefert. Ein deutliches Zeichen dafür ist, dass ab den 1990er Jahren die Dauer von Hungerstreiks, die es braucht, bis ein Gefangener wegen Haftunfähigkeit entlassen wird, im Vergleich zu früher viel länger geworden ist.

Zynisch ist eine Information des Innenministeriums an die Gefangenen: „Es gibt auch die Möglichkeit, dass Sie freiwillig ausreisen. Dadurch kann die Dauer der Schubhaft sehr stark verkürzt werden.“ Menschen sollen durch die Verhängung von Schubhaft oder die Internierung in Abschiebelagern wie jenem am Bürglkopf zur freiwilligen Ausreise gezwungen werden. Auf ihre Gesundheit wird dabei kaum Rücksicht genommen.

In den vergangenen 10 Jahren gab es vier Todesfälle in Wiener Abschiebegefängnissen, die bekannt geworden sind. Das letzte bekannte Opfer der österreichischen Behörden war ein 59jähriger Mann, der in der Nacht von 11. auf 12. Juni 2019 im Wiener Schubhäfn Rossauer Lände starb. Ein Rechtsberater besuchte den Gefangenen vor dessen Tod und erkannte deutliche Anzeichen von Haftunfähigkeit. Die darüber in Kenntnis gesetzte Polizei, die Verantwortung für die Inhaftierten trägt, gab am nächsten Tag an, dass sie den Mann am Morgen tot in seinem Bett fanden. Hugerstreikende werden oft in Einzelzellen gesperrt – eine Form der Haftverschärfung.

Ein weiterer Todesfall wegen unzureichender medizinischer Versorgung ereignete sich am 27. September 2012. Der 35-jährige tschetschenische Asylwerber Zelimkhan Isakov erlag im PAZ am Hernalser Gürtel einem Herzinfarkt. Er hatte zuvor über gesundheitliche Probleme geklagt. Immerhin wurden in diesem Fall zwei Amtsärzte im März 2014 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Am Morgen des 14. September 2009 starb der 20jährige Gaganpreet Singh K. nach 38 Tagen Hungerstreik im Abschiebegefängnis Hernalser Gürtel. Später wurde als Todesursache ein Herzinfarkt festgestellt – eine Todesursache, die oft festgestellt wird, wenn die Behörden sich die Hände in Unschuld waschen wollen. Auch bei Marcus Omofuma wurde von einem Gutachter als Todesursache ein Herzversagen festgestellt.

Über den vierten Todesfall in einem Wiener Abschiebegefängnis liegen keine genaueren Informationen vor. Die Behörden hüllen sich wie so oft in Schweigen. Umso wichtiger ist es, die Toten durch rassistische Staatsgewalt in Erinnerung zu halten und lückenlose Aufklärung zu fordern.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur generellen Schubhaftproblematik:

1. Warum werden Menschen in Schubhaft genommen?

Die Schubhaft ist eine fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahme und keine Strafhaft. Sie soll sicherstellen, dass Abschiebungen durchgeführt werden können. In Schubhaft gelangen also Personen, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde und bei denen der Gesetzgeber fürchtet, dass sie vor der Abschiebung untertauchen. Die Schubhaft kann zwei Monate dauern. In Fällen, die, so die Polizeidiktion, „die Schubhäftlinge selbst zu verantworten haben“, wie etwa Folgeanträge während einer laufenden Schubhaft, kann diese bis zu maximal zehn Monate verlängert werden. Sie muss aber enden, wenn ihr Ziel, die Abschiebung der betroffenen Person, nicht mehr erreicht werden kann. Ein Beispiel dafür ist Haftunfähigkeit durch Hungerstreik.

2. Warum geben sich viele Asylwerber als minderjährig aus?

Bei Minderjährigen muss laut Gesetz ein „gelinderes Mittel“ angewendet werden. Das kann etwa die Auflage sein, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Und: Werden Asylwerber als Minderjährige bei einer Straftat erwischt, gilt für sie auch nur der halbe Strafrahmen (Stichwort Jugendstrafrecht).

3. Wie versuchen Häftlinge, sich aus der Schubhaft zu befreien?

Im Prinzip zielen alle eingesetzten Methoden darauf ab, dass der zuständige Amtsarzt den betroffenen Schubhäftling für haftunfähig erklärt. Häufigstes Mittel hierfür ist der Hungerstreik. Es gibt dokumentierte Fälle, in denen Anwälte oder Betreuer von Schubhäftlingen diesen sogar explizit zum Hungerstreik rieten, um so aus der Haft zu kommen. Seriöse Betreuer halten das für höchst problematisch, weil viele der Haftunfähigen in die Illegalität abtauchen. Außerdem gibt es Schubhäftlinge, bei denen die Verweigerung der Nahrungsaufnahme zu bleibenden körperlichen Schäden, etwa an den Nieren, führte. Neben dem Hungerstreik greifen Schubhäftlinge vereinzelt zu noch viel drastischeren Mitteln. Selbstverstümmelung mit Scheren, Messern und harten Gegenständen ist nur eines davon. Hin und wieder werden auch giftige Chemikalien (Putzmittel etc.) geschluckt; einmal soll sich ein Häftling sogar selbst angezündet haben (er selbst bestritt das im Nachhinein und gab an, die ihn bewachenden Polizisten hätten seine Zelle in Brand gesteckt). Allerdings endet die Verletzung des eigenen Körpers nicht zwangsläufig in der Haftunfähigkeit, sondern – wie im Fall des Schubhäftlings mit den schweren Brandverletzungen – auf einer bewachten Krankenstation.

4. Wie werden Schubhäftlinge medizinisch versorgt?

Zuständig für die Polizeianhaltezentren sind die Amtsärzte. Der Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums benannte das schon mehrmals als Problem. Bei der Betreuung von Schubhäftlingen sind Amtsärzte nämlich einerseits kurativ tätig – sie müssen die Insassen also betreuen wie jeder andere Arzt seine Patienten auch –, andererseits müssen sie gutachterlich ihre eigene Patientenarbeit bewerten, indem sie entscheiden, ob der Schubhäftling hafttauglich ist, oder nicht. Auch im Fall des verstorbenen Inders (die genaue Todesursache steht noch nicht fest) war das so. Laut Menschenrechtsbeirat ein handfester Interessenskonflikt. Damit sich Amtsärzte nicht selbst ein möglicherweise schlechtes Zeugnis ausstellen müssen, arbeitete das Innenministerium ein Pilotprojekt aus. Die Idee war, Schubhäftlinge durchexternes Pflegepersonal zu betreuen. Das Projekt besteht allerdings nur auf dem Papier, für die Umsetzung fehlt das Geld.

5. Gibt es überhaupt Alternativen zur Schubhaft?

Theoretisch ja. Seit zehn Jahren bereitet die Caritas abgelehnte Asylwerber darauf vor, selbstständig in ihr Heimatland zurückzukehren. Die Rückkehrhilfe umfasst die Klärung der (meist sozialen) Verhältnisse vor Ort, manchmal sogar die Vermittlung einer Arbeit sowie eine Art Taschengeld von bis zu 370 Euro, das dem Betroffenen als Starthilfe dienen soll. Das System ist nachhaltiger als die Schubhaft. Die Erfahrung zeigt, dass zwangsweise abgeschobene Personen meistens sofort versuchen, wieder nach Österreich zurückzukehren, freiwillig Zurückgekehrte nicht. In der Praxis jedoch, das sagt Caritas Generalsekretär Stefan Wallner, würde viel zu häufig und viel zu leicht Schubhaft verhängt. Über Alternativen wie die Bewerbung der Rückkehrhilfe oder anderer Unterbringungsmöglichkeiten würde nicht nachgedacht. Wallner: „Wir Kritiker stellen die rechtsstaatliche Abschiebung nicht infrage, sondern die Wahl der eingesetzten Mittel. Abgelehnte Asylwerber sind keine Straftäter, dennoch entzieht man ihnen eines der höchsten rechtsstaatlichen Güter, die Freiheit.“

6. Warum tut sich die Polizei bei Abschiebungen so schwer?

Schubhäftlinge versuchen oft, durch Folgeanträge die Abschiebung hinauszuzögern. In Wien sind 70 Prozent aller in Schubhaft gestellten Asylanträge Folgeanträge. Manchmal beginnen die Schubhäftlinge auf dem Flughafen zu toben, woraufhin der Pilot meist die Mitnahme verweigert. Viele Schubhäftlinge behaupten auch, dass sie keine Dokumente besitzen. Die zu beschaffen ist oft schwierig, weil einige Botschaften nicht mit den österreichischen Behörden kooperieren. Das kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Aber auch dann kann es noch vorkommen, dass die Schubhäftlinge am Flughafen ihres Heimatlandes nicht angenommen werden.